Fliegerschicksale über Lumda, Lahn und Ohm
  05. März 1945
 
 

Bad Endbacher Platte, Montag, 05. März 1945
 

Am Abend des 5. März 1945 stürzte im Bereich der Bad Endbacher Platte, unweit des heutigen Parkplatzes an der Zollbuche, eine britische Avro Lancaster B.X der 431. Bomber Squadron in der 6. Bomber Group der königlich kanadische Luftwaffe (RCAF = Royal Canadian Air Force) ab. Die aus sechs kanadischen und einem englischen Flieger bestehende Besatzung kam beim Aufschlag der Maschine ums Leben.

Gestartet war die vom erst 21jährigen Piloten, Flying Officer Stanley Arthur Reid aus Niagara Falls, Ontario, Kanada gesteuerte und bei Victory Aircraft Ltd. in Malton, ebenfalls Ontario, Kanada gebaute Maschine, vom englischen Fliegerhorst Croft. Das Ziel, über welchem der 22jährige Bombenschütze Flying Officer Herbert John Beaton aus Shoal Lake, Manitoba, Kanada, seine tödliche Bombenlast abzuwerfen hatte, war Chemnitz. Lange Zeit war noch nicht ganz klar, ob sich die Maschine noch auf dem Flug in Richtung Ziel oder schon auf dem Rückflug in Richtung Heimat befand. Die nach England zurückgekehrten Bomberbesatzungen gaben an, daß sie zwischen 21.42 Uhr und 22.04 Uhr über dem Zielgebiet waren

Nach zunächst noch nicht bestätigten Berichten sollte sich die Bombenlast noch an Bord befunden haben, was auch den großen Bereich erklären würde, über welchem die Trümmer der Lancaster B.X mit der Werknummer KB858 verstreut waren. Der Überflug dieser Einheit über unserer Gegend, sollte sich die Maschine tatsächlich noch auf dem Hinflug befunden haben, wäre also bei direktem Zielanflug in etwa zwischen 20.35 Uhr und 21.15 Uhr erfolgt je nach den vorherrschenden Wetterbedingungen.

Da die Einheiten aber nicht direkt auf das Ziel flogen, sondern noch vorher zur Täuschung auf Berlin abdrehten, um dann in etwa über Leipzig hinweg Chemnitz anzufliegen, müßte der Überflug über unsere nähere Heimat noch mal mindestens 30 - 40 Minuten früher gewesen sein. Also etwa 19.55 Uhr bis 20.35 Uhr.
In diesem Zeitraum muß dann auch die Maschine unweit der „Zollbuche” aufgeschlagen sein.
Am 25.09.2019 bekamen wir aus einem kanadischen Archiv die Informationen, dass der damalige Bürgermeister von Gladenbach die Absturzzeit des Kampfflugzeuges an der Bad Endbacher Platte mit 20.20 Uhr angegeben hat. Das dürfte dann auch ziemlich genau hinkommen.

Der 21jährige Navigator, Flying Officer Henry John Feldhans aus Cooper Cliff in Ontario, Kanada, muß also noch mit der Berechnung des Anflugweges beschäftigt gewesen sein, als die Maschine, vermutlich von einem deutschen Nachtjäger, vom Himmel geschossen wurde.

(Henry John Feldhans im Mai 1943(Foto: RCAF)

Vielleicht konnte der 23jährige Bordfunker Colin Bruce MacDonald aus Amhurst, Neuschottland, Kanada, ja noch einen Notruf senden, aber angekommen ist dieser nicht. Das britische Bomber Command nahm an, daß die Maschine wegen Vereisung abgestürzt ist, da man nicht mehr mit deutschen Nachtjägern gerechnet hatte und schon kurz nach dem Start neun Maschinen der 6. Bomber Group ebenfalls aufgrund von Vereisung abstürzten.

Insgesamt verloren die Briten von den 760 in dieser Nacht auf Chemnitz angesetzten Maschinen 31, davon 22 viermotorige Lancaster und Halifax über feindlichem Gebiet. Da in der selben Nacht auch die Ölraffinerien im Raum von Böhlen mit mehr als 250 Maschinen angegriffen wurden und auch von den dort eingesetzten Lancaster-Bombern vier verloren gingen, war es zu einem solch späten Kriegszeitpunkt ein sehr verlustreicher Einsatz für die Royal Air Force.

Nach dem Absturz und der späteren Untersuchung durch eine britische Behörde konnten zunächst nur der Pilot, der Navigator und der Bordfunker identifiziert werden.

Bei den beiden Abwehrschützen, Mittelturmschütze Pilot Officer Howard Roger Harris, 20 Jahre, aus Mount Elgin in Ontario, Kanada, und dem Heckschütze Pilot Officer Hinrik Guttormson, ebenfalls 20 Jahre, aus Poplar Point Manitoba, Kanada, dem Bordmechaniker Sgt. William Arthur Salisbury, dem einzige Engländer an Bord, und Flying Officer Beaton, dem Bombenschütze, gelang dies zunächst nicht. Die aufgefundenen sterblichen Überreste der Besatzungsmitglieder wurden zunächst in Oberweidbach beigesetzt und nach dem Krieg auf den englischen Friedhof nach Hannover überführt. Bei der Umbettung konnten dann alle Männer identifiziert werden. Dort ruht die gesamte Besatzung in einem Gemeinschaftsgrab. Block 4, Reihe J, Gräber 8-10 wurden zur letzen Ruhestätte der Besatzung.

(Die kanadischen Besatzungsmitglieder der KB858. Hintere Reihe von links nach rechts:
 Colin MacDonald, Stan Reid, Howard Harris und Bert Beaton. Vorne von links: John Feldhans und Hinrik Guttormson.) (Foto: Jim Watts)

In den 1980er Jahren wurde an der Absturzstelle ein Teil eines silbernen Armbandes gefunden.
Auf diesem waren noch die Buchstaben: „eaton” und die Nummer: „50” in Fragmenten zu erkennen. Anhand dieser Informationen konnte Herr Emil Nonnenmacher (+) aus Eppstein die Maschine zuordnen, da die Fragmente des Nachnamens und der Nummer als die, des Bombenschützen F/O Beaton Servicenummer J/42250 identifiziert werden konnten.

Im Herbst 2007 gelang uns dann auch in diesem Fall der Durchbruch bei der Suche nach Angehörigen der gefallenen Flieger.
Über den Namen des Heckschützen konnten wir einen seiner Großcousins in Kanada kontaktieren.

Mr. James T. „Jim” Watt hatte im Jahr 2006 ein Buch über das Schicksal von Hinrik Guttormson geschrieben und veröffentlicht.


(P/O Hinrik Guttormson, der Heckschütze.) (Foto: Jim Watts)

In dem sehr gut recherchierten Buch: „Lost in War - The Brave Life and Mysterious Death of a Canadian Airman” hat er zahlreiche Fotos und Dokumente veröffentlicht.

Innerhalb von nur einer Woche bekamen wir das Buch von ihm aus Kanada zugeschickt.
Gerne war er auch bereit uns die für die vorliegende Chronik gewünschten Fotos und auch private Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

In einer Textpassage fand sich dann die Aussage des ehemaligen Bürgermeisters von Oberweidbach, welche dieser bei einer Vernehmung durch eine kanadische Untersuchungskommission am 23. Mai 1947 gemacht hatte.

Bei der Untersuchungskommission gab er an, daß der viermotorige britische Bomber um 20.20 Uhr abgestürzt war und die Bomben, die Bordwaffenmunition und der Treibstoff beim Aufschlag explodierten und die Maschine mit gesamter Besatzung in viele Kleinteile zerrissen wurden. Die Anzahl der toten Besatzungsmitglieder konnte damals nicht geklärt werden. Die aufgefundenen Überreste wurden in einem Sarg auf dem Gemeindefriedhof in Oberweidbach beigesetzt.

(Das gemeinsame Grab der Beatzung in Hannover, kurz nach der Umbettung von Oberweidbach.) (Foto: Jim Watts)

Mr. Watts, der an dem Buch über seinen gefallen Großcousin arbeitete, reichte diese Information nicht aus. Er machte einen Zeitzeugen in Oberweidbach ausfindig, von welchem er andere weitergehende Informationen erhielt.

Von Herrn Schwab wurde ihm mitgeteilt, daß der Bomber gegen 21.00 Uhr abgestürzt sei und eine so starke Explosion stattgefunden habe, daß zahlreiche Fensterscheiben im etwa ein Kilometer entfernten Oberweidbach zu Bruch gegangen waren. Im Widerspruch zur Aussage des ehemaligen Bürgermeisters seien die Bomben aber nicht detoniert. Sie hätten im Wald gelegen und mußten von dort mühevoll abtransportiert werden. Auch wären zwei der kanadischen Besatzungsmitglieder beim Aufschlag aus der Maschine geschleudert worden, deren Körper nicht komplett zertrümmert oder verbrannt gewesen waren.
Im Dezember 2019 teilte mir Herr Bastian aus Günterod mit, dass der Hechschütze mehrere hundert Meter vor der eigentlichen Aufschlagstelle in einem Teil seiner Kanzel gesessen habe und äußerlich fast unversehrt schien.
Einzig ein kleinerer Ast habe sich in seinen Kopf gebohrt und wohl dadurch den Tod verursacht.
Wohl sei die Heckkanzel bei den ersten Baumberührungen abgerissen und das Hauptteil der Maschine habe eine etwa 300 Meter lange Schneise in die Buchen und Fichten des Waldes geschlagen.


(Die Gräber auf dem Friedhof in Hannover. Aufgenommen im Herbst 2005.)
(Foto: Dirk Sohl)

Noch heute kann ein aufmerksamer Spaziergänger im Wald an der Absturzstelle kleinere Überreste der Lancaster finden.
Da aber noch damit gerechnet werden muß, daß sich der eine oder andere Blindgänger sowie nicht detonierte Bordwaffenmunition im Erdreich befinden, sollte man beim Begehen dieses Waldstückes absolute Vorsicht walten lassen. 
 Am 17. Juli 2010 bekamen wir einen Anruf aus Österreich. Uns wurde mitgeteilt, daß uns zwei Engländer zu diesem Fall sprechen wollten. Am späten nachmittag dieses Sommertags waren Jill und Tony Shenton dann bei uns in Ebsdorf.
 Jill ist die Tochter des gefallenen Bordmechanikers und kam nur wenige Monate vor dessen Tod zur Welt. Sie hatte keinerlei Erinnernungen mehr an ihren Vater, aber von ihrer Mutter einige Fotos erhalten.
Wir verabredeten uns für Sonntag den 18. Juli um gemeinsam zur Absturzstelle zu fahren.
 Dort angekommen haben wir innerhalb einer Stunde zwei große Taschen mit dort aufgefundenen Flugzeugwrackteilen gefüllt, welche wir Jill und Tony mitgaben.
 Wir verabschiedeten uns voneinander und versprachen Kontakt zu halten.

Nach ihrer Rückkehr nach England ließen sie uns noch ein Foto von Jills Vater zukommen, welches wir dann auch hier veröffentlichen dürfen.


 

(Der gefallene Bordmechaniker der Besatzung, Sgt. Salisbury) (Foto Jill und Tony Shenton)

Im September 2019 bekam wir wieder Besuch von Jill und Tony Shenton. Diesmal hatten die beiden am
Flughafen in Frankfurt noch Linda und Derryll Hall abgeholt. Linda ist die Nichte des gefallenen Heckschützen Hinrik Guttormson und kam mt ihrem Mann extra aus Kanada eingeflogen.

(Der Besuch im September 2019 auf dem Friedhof in Hannover)
(Foto: Tony Shenton)

Zu viert besuchten die am Freitag dem 13. September zunächst den Friehof mit ihren Angehörigen in Hannover. Am Samstag trafen wir uns dann in Oberweidbach und schauten uns die Absturzstelle der Lancaster unweit der Zollbuche an, Dabei waren uns auch Miriam Watson-Kastell und ihr Ehemann Steve Watson, sowie Helmut Kessler als Zeitzeuge sehr hilfreich. Mit einer gut gefüllten Tasche mit Flugzeugteilen in der Hand verabschiedete man sich voneinander bevor man sich am Sonntag nochmals im Flugzeugwrackmuseum in Ebsdorf traf und während des autofreien Sonntags im Ebsdorfergrund zum Abschluss noch ein paar frisch gezapfte Bier trank.

(Der Abschluss in Ebsdorf am 15. September 2019)
(Foto: Tony Shenton)


Absturz eines viermotorigen britischen Bombers

 

Ort:      Oberweidbach, Bad Endbacher Platte, in der Nähe der Zollbuche

Datum:              05. März 1945

Uhrzeit:             ca. 20.20 Uhr

Flugzeugtyp:     Avro Lancaster B.X

Werknummer:  KB858

Hersteller:         Victory Aircraft Ltd. Malton, Ontario, Kanada

Motoren:            4 wassergekühlte 12 Zylinder Rolls-Royce Merlin XXIV

Einheit:               No. 432. Squadron, No. 6 Group

Kennung:            S E (Kokarde) G

Heimatflughafen: Croft

Startzeit:                    . Uhr

Angriffsziel:         Chemnitz

Bombenladung:    1 x 4000 lb HC, 7 x 500 lb GP, 6000 Schuss Cal. 303., H2 S,
                               GEE, IFF N and K24 Camera.


Absturzursache:
  Nachtjägerbeschuss?, Vereisung?


Besatzung:

Pilot: F/O Stanley Arthur Reid (RCAF) Gefallen

Bordmechaniker: Sgt. William Arthur Salisbury (RAF) Gefallen

Navigator: F/O Henry John Feldhans (RCAF) Gefallen

Bombenschütze: F/O Herbert John Beaton (RCAF) Gefallen

Bordfunker: F/O Colin Bruce MacDonald (RCAF) Gefallen

Mittelturmschütze: P/O Howard Roger Harris (RCAF) Gefallen

Heckschütze: P/O Hinrik Guttormson (RCAF) Gefallen

 



Ebsdorf, Montag, 5. März 1945

 

Bereits um die Mittagszeit des 5. März 1945 kam es zu Bombenabwürfen durch amerikanische Kampfflugzeuge auf Ortschaften und Gemarkungen des Ebsdorfergrund.
Der Luftangriff auf Ebsdorf wurde diesmal nicht vom Gendarmerie Gruppenposten Ebsdorf, sondern vom Gendarmerie Einzelposten in Dreihausen an den Landrat gemeldet.
Der Grund hierfür war, dass das Wohnhaus des Ebsdorfer Gendarmen bei diesem Angriff zerstört wurde.
Es war ziemlich genau 12.00 Uhr als etwa 25 amerikanische Bomber während eines Angriffs ihre Bomben über Ebsdorf und Ilschhausen ausklinkten.
Der gesamte Angriff dauerte nur etwa 10 Sekunden.
Ebsdorf und seine Bewohner hatten an diesem Tag noch sehr viel Glück im Unglück.
Im Abschlussbericht der Gendarmerie wird die Anzahl von 86 mittleren und schweren Sprengbomben auf Ebsdorf und vier mittleren Sprengbomben auf Ilschhausen genannt. Im oberen Waldstück des "Kalten Stall", links der Straße in Richtung Winnen befinden sich ebenfalls ca. fünf Bombentrichter, die in den Berichten aber nicht erwähnt wurden, wohl aber auch an diesem Tag entstanden sind.
Der größte Teil der Bomben auf Ebsdorf detonierte am äußersten westlichen Ortsrand und in der Gemarkung in Richtung Hachborn. Die Straße nach Hachborn musste bis zum Abschluss der Instantsetzungsarbeiten komplett gesperrt werden. Personenschäden traten in Ebsdorf wohl nicht ein, in Ilschhausen dagegen wurden ein Mann und eine Frau leicht verletzt. In Ebsdorf wurden sieben Personen obdachlos oder "ausgebombt". Ein Wohngebäude wurde komplett zerstört. Das Gendarmeriedienstgebäude in der Bruchgasse wurde dem Erdboden gleichgemacht. Drei weitere Wohngebäude wurden schwer beschädigt und 34 leicht beschädigt, darunter auch das Gebäude der damaligen Volksschule. An Scheunen wurden in Ebsdorf drei total beschädigt und einige weiter schwer beschädigt. 20 weitere Scheunen- und Stallgebäude wurden leicht beschädigt. In Ilschhausen wurden zwei Scheunen leicht beschädigt.
In einer weiteren Nachmeldung zu den Bomben auf Ebsdorf ist auch von einem Blindgänger die Rede, welcher sich am Ortsausgang von Ebsdorf nach Hachborn, 30 Meter von der Straße entfernt, in einer Tiefe von 1,50 Meter in einer Wiese befindet.
Da der Angriff von Ebsdorf nicht beobachtet werden konnte, die amerikanischen Bombenschütze warfen durch eine geschlossene Wolkendecke, können wir derzeit nur davon ausgehen, dass es sich bei den Angreifern um zweimotorige Bomber der Typen B-26 "Marauder" und A-26 "Invader" gehandelt hat.

 



(Luftbild von Ebsdorf mit den gut sichtbaren Bombenkratern)


 
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