Samstag, 02. Dezember 1944
Dieser Sonntag wurde für eines der renommiertesten deutschen Jagdgeschwader zu einem Fiasko. Innerhalb weniger Minuten büßte das Jagdgeschwader 3, das den Namen „Udet” tragen durfte, einen großen Teil seiner Maschinen ein. Diese Verluste mußten schon als sehr schwer angesehen werden, was aber noch viel schwerer wog, war die Tatsache, daß nach diesem Einsatz auch ein Großteil der Flugzeugführer nicht mehr zurückkam.
Sie lagen, zum Teil zerschmettert, in oder neben ihren Maschinen auf dem Boden. So mancher von ihnen auch in unserer näheren Heimat. Nur wenige der jungen Männer überlebten den Abschuß ihrer Maschinen und konnten sich mit dem Fallschirm retten. Diese trugen aber zum Teil so schwere Verwundungen davon, daß sie für lange Zeit oder gar ganz für Einsätze ausfielen.
Nach unseren bisherigen Recherchen hatte das Jagdgeschwader 3 „Udet” an diesem Tag 18 gefallene und mindestens sieben verwundete Flugzeugführer zu beklagen.
Über unserer näheren Heimat hatten die mit der Messerschmitt Bf 109 ausgerüsteten Staffeln der I. und der III. Gruppe des „Udet-Geschwaders” Feindberührung.
Die Männer der II. Gruppe waren bereits Ende November, völlig überraschend, aus dem Geschwaderverband herausgelöst worden, um auf die ersten einsatzfähigen Düsenjäger der Welt, die Messerschmitt Me 262, umgeschult zu werden.
Die IV./JG 3 hatte heftige Luftkämpfe mit amerikanischen Bombern und Jagdflugzeugen, die sich aber nicht in unserer näheren Heimat abspielten.
(Der Trauerzug mit den Angehörigen der in Marburg beigesetzten gefallenen deutschen Flugzeugführer vom 2. Dezember 1944.) (Foto: Ursula Kaiser)
Die Luftkämpfe, falls man sie überhaupt so nennen kann, im Raum Marburg wurden von den Jagdfliegern der I. und III./JG 3 und den P-47 „Thunderbolt-Piloten” der 56. Fighter Group der 8. USAAF ausgefochten.
Zunächst nahmen wir an, daß die Deutschen sich in den tiefen Wolken verorientiert hätten und sich entweder gegenseitig abgeschossen bzw. sich gerammt hätten.
Durch einen ehemaligen Flugzeugführer der 2. Staffel des Jagdgeschwaders 3, der in diesem Einsatz verwundet und nach Marburg in die Chirurgische Klinik gebracht wurde, konnten wir diese erste Vermutung aber revidieren.
Vor einigen Jahren bekamen wir aus amerikanischen Unterlagen noch eine Auflistung, die Luftkämpfe der 63. Fighter Squadron mit Messerschmitt Bf 109 im Raum „Marburg”, zwischen 12.30 Uhr und 13.10 Uhr am 2. Dezember 1944 bestätigte.
Acht amerikanische Piloten meldeten neun sichere und einen wahrscheinlichen Abschuß sowie zwei im Luftkampf beschädigte Messerschmitt Bf 109.
Wir sind heute überzeugt, daß es sich hierbei um die im Raum Marburg/Biedenkopf abgeschossenen Flugzeuge der I. und III./JG 3 handelte.
Da auch noch weitere Maschinen dieser Gruppen in den Nachbarkreisen abstürzten oder notlanden mußten, läßt dieser Sachverhalt eine genaue Zuordnung der einzelnen amerikanischen Luftsiege zu den Abstürzen der Deutschen zur Zeit noch nicht zu.
Die amerikanischen Piloten, die Luftsiege meldeten waren:
2ndLt. Samuel K. Batson (1 Luftsieg), Mj. Paul Albert Conger (2 Luftsiege), Capt. John C. Fahringer (2 Luftsiege), 1stLt. Russell Frederickson (1 Luftsieg und 1 wahrscheinl. Luftsieg), 2ndLt. David M. Magel (1 beschädigte Me 109), 1stLt. Walter R. Groce (1 Luftsieg und 1 beschädigte Me 109), 1stLt. Pershing B. Trumble (1 Luftsieg) und 1stLt. Richard B. Anderson (1 Luftsieg).
Eigene Verluste hatte diese amerikanischen Squadron an diesem Tage nur wenige zu verzeichnen. Im Raum Gießen stießen zwei P-47 „Thunderbolt” zusammen und stürzten zu Boden. Beide Piloten kamen dabei ums Leben.
Da eine zeitmäßige Reihenfolge der Abstürze über dem Marburger Land nicht möglich ist, habe ich mich dazu entschlossen die einzelnen Absturzorte in den kommenden Kapiteln alphabetisch zu ordnen.
Neben den in den folgenden Kapitel genannten Abstürzen konnten wir noch folgende Verluste des „Udetgeschwaders” an diesem Tag aufklären:
Fw. Heinz Loch vom Stab fiel bei Lüdenscheid. Eine Bf 109 G des Geschwaders machte bei Erndtebrück eine Bauchlandung. Uffz. Christoph Böttner von der 3. Staffel fiel bei Lich, während sein Staffelkamerad Fw. Hugo Mayer bei Ruckersfeld verwundet wurde. Der Gefr. Fritz Reth von der 4. Staffel kam bei Münzenberg ums Leben, Fw. Willi Stoll von der gleichen Staffel bei Laubach. Ein vierter Flugzeugführer dieser Staffel, Ofhr. Hans-Joachim Sawallisch wurde bei der Landung in Bonn-Hangelar verwundet. Uffz. Hans Sachse von der 10. Staffel machte im Raum Eisenach verwundet eine Bauchlandung. Von der 11. Staffel traf es Lt. Karl-Heinz Willeke. Er wurde bei Atzenhain schwer verwundet und erlag wenige Tage später im Lazarett seinen Verwundungen. Fw. Karl Jochim von der 12. Stafel wurde bei Beerfelden verwundet, Uffz. Michael Lassoczyk fiel bei Wallrabenstein, und eine weitere Maschine dieser Staffel wurde in Dillenburg auf den Bauch geworfen.
Von der 13. Staffel traf es Uffz. Friedrich Jacobsen. Er fiel bei Monzingen. Die 14. Staffel hatte einen Gefallenen zu beklagen: Der Fw. Heinz Mellenthin fiel bei Kirn, während es seinem Staffelkameraden Uffz. Gerhard Buchholz noch gelang, bei Sparbrücken mit dem Fallschirm abzuspringen. Von der 15. Staffel fiel FjU. Ludwig Knorr bei Neheim. Die 16./JG 3 hatte drei Verluste: Ofhr. Emmerich Sarley fiel bei Kellenbach, und auch Oblt. Wilhelm Volkmann kam beim Absturz ums Leben, und Uffz. Josef Karg von der 16. Staffel machte bei Kirn verwundet eine Bauchlandung.
Caldern, Samstag, 2. Dezember 1944
Es war etwa 12.30 Uhr, als mit lautem Getöse, am Fuße der Burg bei Caldern, ein deutsches Jagdflugzeug aufschlug. Mit unvorstellbarer Wucht bohrte sich die Maschine, mit dem Motor voran in die Ostseite des Burgberges oberhalb des Forsthauses. In den Jungbuchenbestand wurde eine etwa 50 Meter lange Schneise gerissen
Der Flugzeugführer kam beim Aufschlag der Maschine ums Leben.
Es war ein sehr trüber Tag und die Menschen am Boden nahmen die über einer dicken Nebelschicht stattfindenden Luftkämpfe nur durch das Geratter der Bordwaffen und das Dröhnen der Flugzeugmotoren war.
Ein Zeitzeuge konnte sich später noch daran erinnern, daß unweit der Absturzstelle ein Brief des gefallenen Fliegers an seine Schwester gefunden wurde, in welchem er ihr seine Vorfreude über seinen kurz bevorstehenden ersten Einsatz beschrieb.
Dieser, sein erster Feindflug, nahm ein tragisches Ende. Sein hoffnungsvolles Leben wurde durch die Bordwaffen eines amerikanischen Jagdflugzeugs beendet.
Wie so viele seiner jungen und zuletzt nur unzureichend ausgebildeten Kameraden hatte er nicht die Erfahrung, die Gefahr in der er sich befand rechtzeitig zu erkennen, oder ihr gar zu entrinnen
Wir gehen davon aus, daß es dem gerade erst 19 Jahre alt gewordenen Gefreiten Wilhelm Thies noch gelang mit dem Fallschirm aus der Maschine herauszuspringen, er aber dann mit den Fallschirmseilen am Leitwerk hängen geblieben war und von seiner Maschine in den Tod gerissen wurde.
(Wilhelm Thies. Dieses Foto wurde 1944 aufgenommen und zeigt ihn mit dem Dienstgrad Flieger.) (Foto: Jochen Urbschat)
Wilhelm Thies, geboren am 7. November 1925 in Celle, war mit seiner Einheit, der 9. Staffel des Jagdgeschwaders 3 „Udet”, unter Führung von Staffelkapitän Leutnant Oskar Zimmermann, vom erst kürzlich von seiner Einheit bezogenen Einsatzhafen Schachten nordwestlich Kassel, gestartet.
Er flog an diesem Tag eine in den Erla-Werken in Leipzig gebaute Messerschmitt Bf 109 G-14 mit der Werknummer 464 105 und der taktischen Kennung „Weiße 10” am Rumpf der Maschine.
Die Absturzstelle wurde von der Landwacht sofort abgesperrt und die Flugzeugteile von einem Bergungskommando vom Fliegerhorst Bracht eingesammelt und über den Bahnhof Caldern abtransportiert
Der Leichnam wurde eingesargt und nach Marburg überführt. Dort sollte am 8. Dezember 1944 die gemeinsame Beisetzung aller an diesem Tag im Raum Marburg gefallenen Flugzeugführer stattfinden.
(Das Grab von Wilhelm Thies auf dem Ehrenfriedhof in Marburg/Lahn.) (Foto: Dirk Sohl)
In den 1980er-Jahren sollen Interessierte aus dem Raum Herborn neben einigen Kleinteilen auch das Luftschraubengetriebe ohne Propellerblätter an der Absturzstelle geborgen haben.
Auch wurde dort noch viel Munition der Bordwaffen MG 151/20 und MG 131 gefunden. Es ist zu hoffen, daß die Absturzstelle nach nun mehr als 60 Jahren frei von diesen gefährlichen Kriegsrückständen ist.
Man erkennt in dem steinigen Gelände heute noch den Trichter von etwa 2,5 Metern Durchmesser und etwa einen halben Meter Tiefe, den der Aufschlag des Jagdflugzeugs hinterlassen hat.
Manchmal aber sieht man auch noch einige kleinere Teile des Duralaluminiums der Maschine in der Sonne leuchten.
Wir und auch Heinz Loth aus Caldern hatten schon mehrere Jahre vergeblich versucht, Angehörige des Gefreiten Thies ausfindig zu machen. Als letzter Wohnort wurde uns von der Kriegsgräberfürsorge in Kassel die Hattendorffstraße 38 in Celle genannt.
Im Frühjahr des Jahres 2006 schrieben wir dann als vorläufig letzten Versuch die Stadtverwaltung in Celle an und brachten unser Anliegen bezüglich Angehörigensuche vor.
Nach nur wenigen Minuten kam ein Rückruf aus Celle und ein Neffe des Gefallenen, Herr Jochen Urbschat, der auf der Stadtverwaltung arbeitete, teilte uns mit, daß sich noch Unterlagen und ein Foto im Nachlaß seiner Mutter befänden, die für diese Chronik interessant sein können.
(Der Brief des Staffelkapitäns an die Eltern in Celle.) (Original: Jochen Urbschat)
Innerhalb kürzester Zeit erhielten wir von ihm auch diese Unterlagen und dürfen sie für die Chronik verwenden.
Auch Heinz Loth blieb nicht tatenlos. Als Ehrenvorsitzender des Heimat- und Geschichts Verein Lahntal e.V. plante er über Jahre hinweg die Aufstellung eines Gedenksteins an der Absturzstelle um damit ein sichtbares Zeichen für den Frieden und gegen alle Gewalt in dieser Welt zu setzen.
Mitte August 2007 brachte der Postbote einen Brief von der 1. Vorsitzenden des Heimat- und Geschichts Verein Lahntal e.V. In diesem befand sich die Einladung zu einer kleinen Feierstunde zur Enthüllung des Erinnerungssteines.
Am 8. September 2007, fast 63 Jahre nach dem Absturz und dem viel zu frühen Tod des jungen Flugzeugführers, war es dann soweit. In einer Feierstunde, organisiert vom Heimat- und Geschichts Verein Lahntal e.V., unter großer Beteiligung der Bevölkerung wurde der Gedenkstein enthüllt.
Vorgenommen wurde diese feierliche Zeremonie von Oskar Stock (+) aus Wallau, einem ehemaligen Jagdflugzeugführer, der im selben Luftkampf abgeschossen wurde, sich aber glücklicherweise trotz schwerer Verwundung mit dem Fallschirm retten konnte.
(Am Tag der feierlichen Enthüllung des Gedenksteins. Von links nach rechts: Dirk Sohl, Heinz Loth, Oskar Stock und Horst Jeckel.) (Foto: Horst Jeckel)
Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
Ort: Caldern, Am Fuße der Burg
Datum: 2. Dezember 1944
Uhrzeit: ca. 12.30 Uhr
Flugzeugtyp: Messerschmitt Bf 109 G-14
Werknummer: 464 105
Kennung: „Weiße 10”
Motor: 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender V-Motor Daimler Benz DB 605
Einheit: 9. Staffel / Jagdgeschwader 3 „Udet”
Startflughafen: Schachten bei Kassel
Flugzeugführer: Gefreiter Wilhelm Thies
Erkennungsmarke: 68 416 / 723
Geburtsdatum: 7. November 1925
Geburtsort: Celle
Verbleib: Gefallen
Grablage: Ehrenfriedhof in Marburg an der Lahn
Absturzursache: Luftkampf mit P-47 „Thunderbolt”
Damm, Samstag, 2. Dezember 1944
Auf einem Acker östlich von Damm schlug, ebenfalls gegen 12.30 Uhr, ein deutsches Jagdflugzeug auf. Sofort nach dem Aufschlag explodierte die Maschine und brannte mit dem toten Flugzeugführer im Führerstand komplett aus. Immer wieder explodierten die mitgeführte Munition und die Behälter mit dem Sauerstoff.
Die zur Hilfe eilende Bevölkerung hatte keine Möglichkeit mehr, den Gefallenen aus der Maschine zu bergen. Der unglückliche Flugzeugführer war der ebenfalls erst 19 Jahre alte Gefreite Günter Bradtke. Er wurde am 20. Dezember 1924 in Elbing, im heute zu Polen gehörenden Ostpreußen, geboren.
(Gefr. Günter Bradtke (links) nach bestandener Flugzeugführerprüfung
im Juni 1944 in Neustadt an der Weinstraße.)
(Foto: Ursula Bradtke)
Auch er hatte sicherlich bisher nur wenige Einsätze geflogen. Wahrscheinlich kam er, wie auch der Gefr. Thies, der bei Caldern fiel, erst frisch von einer Flugzeugführerschule zum Einsatzverband .
Günter Bradtke flog an diesem Tag eine bei Erla in Leipzig gebaute Messerschmitt Bf 109 G-14 mit der Werknummer 461 179.
Als Kennung trug die Maschine an beiden seiten des Rumpfes einen schwarzen Winkel, welcher die Maschine als Stabsmaschine kennzeichnete.
Er war Angehöriger des Stabsschwarmes der I. Gruppe des Jagdgeschwaders 3 „Udet”, welche an diesem Tag erstmals von ihrem neuen Gruppenkommandeur, Hauptmann Albert Wirges geführt wurde. Gestartet waren die Maschinen dieser Gruppe vom Fliegerhorst Paderborn.
Es ist anzunehmen, daß Günter Bradtke bei diesem Einsatz der Rottenflieger des Kommandeurs war, da auch dieser nur wenige hundert Meter entfernt mit seiner Maschine abstürzte.
(Günter Bradtke als Flugschüler. Etwa 1943,)(Foto: Ursula Bradtke)
Bei der Suche nach Angehörigen des jungen Fliegers hatten wir in diesem Fall mehr Glück. Da uns als letzter Wohnort die Waitzstraße in Flensburg mitgeteilt wurde, schickten wir einen Brief dorthin.
Im Jahr 1996 bekamen wir dann Kontakt mit seiner Schwägerin, Frau Ursula Bradtke, welche uns freundlicherweise Fotos und Dokumente zukommen ließ, die wir für die Chronik verwenden dürfen.
Ein Foto zeigt den jungen Flieger als Flugschüler mit Fliegerhaube und ein zweites Bild mit einem Kameraden nach bestandener Flugzeugführerprüfung im Sommer 1944 in Neustadt an der Weinstraße.
Aus den uns zugegangenen Dokumenten ist ersichtlich, daß der Vater erst im Juni 1948 die Mitteilung vom Tod seines Sohnes erhielt.
Da Günter Bradtke bereits am 08. Dezember 1944 auf dem Ehrenfriedhof in Marburg an der Lahn beigesetzt und nicht als Vermißter, sondern als Gefallener gemeldet wurde, ist die Verzögerung dieser Mitteilung an die Angehörigen nur mit dem Chaos der letzten Kriegs- und ersten Nachkriegsjahre zu begründen.
(Die Mitteilung des DRK-Suchdienstes an den Vater vom Juni 1948.) (Original: Ursula Bradtke)
Auf dem Acker bei Damm sieht man hin und wieder einzelne kleinere Plexiglasstücke und Metallteile, die durch die Hitze des Brandes fast vollständig verformt sind.
Ob der zuständige Landwirt wohl weiß, wenn er den Acker bestellt, welche Tragödie sich im Dezember 1944 hier abgespielt hat?
Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
Ort: Damm, Im freien Feld südöstlich Damm
Datum: 2. Dezember 1944
Uhrzeit: ca. 12.30 Uhr
Flugzeugtyp: Messerschmitt Bf 109 G-14
Werknummer: 461 179
Kennung: „Schwarzer <”
Motor: 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender V-Motor Daimler Benz DB 605
Einheit: Gruppenstab I. Gruppe/ Jagdgeschwader 3 „Udet”
Startflughafen: Paderborn
Flugzeugführer: Gefreiter Günter Bradtke
Erkennungsmarke: 308 / 262 283
Geburtsdatum: 20. Dezember 1924
Geburtsort: Elbing / Ostpreußen
Verbleib: Gefallen
Grablage: Ehrenfriedhof in Marburg an der Lahn
Absturzursache: Luftkampf mit P-47 „Thunderbolt”
Damm, Samstag, 2. Dezember 1944
Nicht unweit von der Absturzstelle des Gefreiten Bradtke kam auch sein Gruppenkommandeur, Hauptmann Albert Wirges, ums Leben.
Auch seine Maschine stürzte von den Geschossen der amerikanischen Maschinengewehre schwer getroffen zu Boden, berührte noch einige Bäume, wurde dabei auseinandergerissen und schlug im Wald in Richtung Kehna/Niederwalgern auf.
Der am 3. Mai 1913 in Stahlheim geborene Flugzeugführer wurde bei den Baumberührungen seiner Maschine getötet. Er flog an diesem Tag eine nagelneue Messerschmitt Bf 109 G-10 der Erla-Werke in Leipzig mit der Werknummer 490 767 und als Kennung den Doppelwinkel für den Gruppenkommandeur.
Hauptmann Wirges hatte die I. Gruppe des Jagdgeschwaders 3 „Udet” erst am 26. November 1944 für den an diesem Tag gefallenen Hptm. Haase als Gruppenkommandeur übernommen und führte seine Flieger an diesem Tag zum ersten mal in den Einsatz.
Er trug mit dem Deutschen Kreuz in Gold, dem sogenannten Spiegelei, eine hohe Auszeichnung, die er bereits am 17. Oktober 1943 als Flugzeugführer in der Nahaufklärungsgruppe 11 verliehen bekommen hatte.
(Albert Wirges, vermutlich im Jahr 1942, als Leutnant.) (Foto: Gabriele Aufleger)
Wir können daher heute davon ausgehen, daß Hauptmann Wirges zwar ein erstklassiger Flieger war, aber nicht genügend Ausbildungsstunden als Jagdflugzeugführer hatte. Dadurch fehlte auch ihm sicherlich die Erfahrung, den plötzlich aus den Wolken heraus angreifenden „Thunderbolts” zu entkommen.
Die Maschine mit dem Flugzeugführer wurde bei den ersten Baumberührungen in mehrere Teile zerrissen. Zunächst gelang es nicht, den Gefallenen zu identifizieren.
Die erste Meldung des Landrats an das Luftgaukommando VI in Münster, datiert mit dem 04.12.44, hatte u.a. folgenden Inhalt:
„ Damm: Gefallen ein Hauptmann mit Deutschem Kreuz in Gold. Die Ermittlung der Personalien war auch dem Bergungskommando Bracht bisher nicht möglich.”
Erst wenige Tage später gelang es den Toten zu identifizieren und dies den zuständigen Stellen zu melden.
Hauptmann Wirges sollte zunächst ebenfalls in Marburg beigesetzt werden, seine Familie aber bestand darauf, ihm in ihrer Nähe seine letzte Ruhestätte zu geben.
Seine Verlobte, so Herr Jacobi aus Damm, wollte ihn noch einmal sehen und kam deshalb nach Damm. Der Sarg aber war schon zugenagelt, und es wurde den Angehörigen untersagt diesen noch einmal zu öffnen. Danach fand die Überführung statt, und Albert Wirges wurde in einem Privatgrab in Kelsterbach beigesetzt.
Im Jahr 1994 fuhren wir nach Kelsterbach um das Grab zu suchen. Bei unseren Nachforschungen stellten wir aber fest, daß es sich um ein Privatgrab handelte, dieses die vorgeschriebene Ruhezeit längst erreicht hatte und deshalb entfernt worden war. Im Gegensatz dazu haben ja Kriegstote ewiges Ruherecht. Dies wird aber nur selten angewandt, wenn sie in Privatgräbern ruhen.
Vor wenigen Jahren gelang es uns mit Hilfe von Herrn Peil, einem ehemaligen Postbeamten in Kelsterbach, eine Cousine des Gefallenen ausfindig zu machen. Diese, Frau Gabriele Aufleger, war auch gerne bereit, uns mit den ihr zur Verfügung stehenden Fotos zu helfen.
In dem Waldstück bei Damm zeugt auch heute noch der Aufschlagtrichter vom Schicksal des Hauptmann Wirges. Von Herrn Helmut Heck (+) haben wir einige Gegenstände übereignet bekommen, die er in den 1960-Jahren an der Absturzstelle gefunden hat.
Im Jahr 2008 gruben Interessierte nochmals im Bereich der Aufschlagstelle der Maschine und fanden auch noch Flugzeugteile im Waldboden.
Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
Ort: Damm, Im Wald in Richtung Kehna/Niederwalgern
Datum: 2. Dezember 1944
Uhrzeit: ca. 12.30 Uhr
Flugzeugtyp: Messerschmitt Bf 109 G-10
Werknummer: 490 767
Kennung: „Schwarze <<”
Motor: 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender V-Motor Daimler Benz DB 605
Einheit: Stab I. Gruppe / Jagdgeschwader 3 „Udet”
Startflughafen: Paderborn
Flugzeugführer: Hauptmann Albert Wirges
Erkennungsmarke:
Geburtsdatum: 3. Mai 1913
Geburtsort: Stahlheim
Verbleib: Gefallen
Grablage: Gemeindefriedhof Kelsterbach
Absturzursache: Luftkampf mit P-47 „Thunderbolt”
Dilschhausen, Samstag, 2. Dezember 1944
Unweit des Ortsausgangs von Dilschhausen, links der Straße in Richtung Caldern ließ ein weiterer Flugzeugführer sein Leben für „Führer, Volk und Vaterland”.
Auch er war wie der Gefreite Wilhelm Thies, der bei Caldern fiel, Angehöriger der 9. Staffel des Jagdgeschwaders 3 „Udet”.
Der am 24. Mai 1921 in Mährisch-Altstadt geborene Unteroffizier Dankmar Zeckert war mit seiner Einheit unter Führung des Staffelkapitäns Lt. Oskar Zimmermann in Schachten bei Kassel gestartet.
Nach nur kurzer Flugzeit traf ihn sein Schicksal.
Die von den deutschen Jagdfliegern nicht erkannten amerikanischen P-47 „Thunderbolt” stürzten sich aus den Wolken heraus auf die völlig überraschten Deutschen und veranstalteten fast schon ein „Scheibenschießen”.
Vermutlich wurde Unteroffizier Zeckert von den Geschossen der amerikanischen 12,7 mm Browning-Maschinengewehre schon tödlich getroffen, bevor er überhaupt begreifen konnte, was geschehen war.
(Unteroffizier Dankmar Zeckert kurz vor seinem Tod.) (Foto: Helmut Zeckert)
Beim Aufschlag seiner Messerschmitt Bf 109 G-14, die in den Erla-Werken in Leipzig gebaut worden war, wurde der Flugzeugführer aus der Maschine geschleudert und lag mit völlig zertrümmerten Körper etwa 50 bis 100 Meter von der Aufschlagstelle entfernt.
Die Maschine mit der Werknummer 462 808 und der taktischen Kennung „Weiße 7” wurde nach Aussage des zuständigen Gendarmen von Elnhausen in „tausend Fetzen zerschellt”, die verstreut auf der Feldmark umherlagen.
Der Gefallene wurde geborgen und zunächst in der Kirche in ein weißes Laken auf Stroh gebettet, da so schnell kein Sarg zur Verfügung stand.
Aufgrund der beim Toten aufgefundenen Ausweise und der Erkennungsmarke mit der Nummer 262 283 / 365 konnte er schon an Ort und Stelle identifiziert werden.
Am selben Tag noch kam ein Feldwebel vom Fliegerhorst Bracht und ließ sich vom Gendarmen den Sonderausweis, die Fliegerkarte, die Geldbörse mit 68,69 Reichsmark und eine Pistole vom Kaliber 7,65 des Flugzeugführers aushändigen.
Auch Unteroffizier Zeckert wurde am 8. Dezember zusammen mit seinen Kameraden auf dem Ehrenfriedhof in Marburg beigesetzt, nach dem Kriege aber von seiner Familie in deren neue Heimat überführt.
Mit Hilfe der Kriegsgräberfürsorge in Kassel konnten wir herausfinden, daß der Tote nach Weiler im Allgäu umgebettet worden war. Aus diesem Grund versuchten wir auch dort Angehörige ausfindig zu machen.
Im Januar 1996 erhielten wir einen Brief von Herrn Oberst a.D. Helmut Zeckert aus Ulm. Einer unserer Briefe nach Weiler im Allgäu erreichte die Schwägerin von Helmut Zeckert, welche diesen Brief gleich an ihn weitergab.
Der gefallene Unteroffizier Dankmar Zeckert war der jüngere Bruder von Helmut Zeckert.
In seinem Brief teilte mir Herr Zeckert mit, daß sein Bruder am 24.05.1921 als Sudetendeutscher geboren wurde. Er war Absolvent der Höheren Staatsgewerbeschule in Reichenberg und wäre nach heutiger Bezeichnung Diplom Ingenieur (FH) im Fach Bautechnik.
Nach Ausbildung zum Flugzeugführer kam er direkt zum Jagdgeschwader 3, bei dem auch noch ein dritter Bruder, Herfried, beim Bodenpersonal seinen Dienst versah.
Der Bruder wartete am 2. Dezember 1944 die Maschine von Dankmar und verabschiedete ihn in Schachten zu seinem ersten Feindflug. Er sollte seinen Bruder nicht mehr lebend sehen. Nach eigenen Aussagen soll Herfried Zeckert nach der Vermißtenmeldung in Richtung Dilschhausen aufgebrochen sein, um seinen Bruder zu suchen. Danach soll er ihn selbst gefunden und in der nahegelegenen Kirche aufgebahrt haben.
In den 1950er-Jahren besuchten die beiden Brüder Zeckert mit ihrer Mutter das Grab in Marburg und auch die Absturzstelle bei Dilschhausen. An diesem Tag reifte auch der Entschluß, den gefallenen Bruder in die neue Heimat zu überführen.
Dort ruht Dankmar Zeckert heute mit seinen später verstorbenen Eltern und neben seinem 1991 gestorbenen Bruder Herfried.
(Das Grab von Dankmar Zeckert in Weiler im Allgäu. Hier ruht er gemeinsam mit seinen später verstorbenen Eltern.) (Foto: Helmut Zeckert)
Die Absturzstelle bei Dilschhausen ist heute nur noch wenigen bekannt. Auch erinnert heute dort nichts mehr an den jungen Flugzeugführers, der sein Leben in seinen besten Jahren für „Führer, Volk und Vaterland” gab.
Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
Ort: Dilschhausen, Am Ortsausgang links der Straße in Richtung Caldern
Datum: 2. Dezember 1944
Uhrzeit: ca. 12.45 Uhr
Flugzeugtyp: Messerschmitt Bf 109 G-14
Werknummer: 462 808
Kennung: „Weiße 7”
Motor: 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender V-Motor Daimler Benz DB 605
Einheit: 9. Staffel / Jagdgeschwader 3 „Udet”
Startflughafen: Schachten bei Kassel
Flugzeugführer: Unteroffizier Dankmar Zeckert
Erkennungsmarke: 262 283 / 365
Geburtsdatum: 24. Mai 1921
Geburtsort: Mährisch-Altstadt
Verbleib: Gefallen
Grablage: Weiler im Allgäu (Privatgrab)
Absturzursache: Luftkampf mit P-47 „Thunderbolt”
Hachborn, Samstag, 2. Dezember 1944
Auch bei Hachborn stürzte an diesem Tag ein deutsches Jagdflugzeug ab.
Nachdem bereits am 11. September 1944 Feldwebel Amon vom Jagdgeschwader 53 in der Hachborner Gemarkung eine Bauchlandung hinlegte und man von Hachborn aus auch den Luftkampf zwischen amerikanischen Jagdflugzeuge und einer deutschen Messerschmitt am 2. März 1944 beobachten konnte, bei dem Uffz. Hans Schüler vom JG 3 am „Kalten Stall” bei Leidenhofen fiel, war es schon die dritte Messerschmitt Bf 109, deren Ende sich in der Nähe von Hachborn ereignete.
Die damaligen Zeitzeugen Heinrich Krieb, Karl Merkel (+), Gotthard Merkel (+) und Hermann Fischer berichteten uns viel von dem Geschehen dieser Zeit, so daß auch dieser Fall schnell aufgeklärt werden konnte.
Es war etwa 12.40 Uhr, als die Maschine des Fahnenjunkeroberfeldwebel Hans Reiff von den amerikanischen „Thunderbolt” schwer beschädigt wurde. Der mit über 50 Luftsiegen im Osten bisher sehr erfolgreiche deutsche Jagdflieger schaffte es noch, seinen Führersitz mit dem Fallschirm zu verlassen, blieb aber mit den Leinen des Fallschirmes am Leitwerk hängen und stürzte mit der Maschine zu Boden.
(Oberfeldwebel Hans Reiff mit Deutschen Kreuz in Gold, Frontflugspange, EK I, EK II und Flugzeugführerabzeichen.) (Foto: Margaretha Goller)
Die nagelneue, in den Erla-Werken in Leipzig hergestellte Messerschmitt Bf 109 G-10, mit der Werknummer 490 372 und der Kennung: „Schwarze 3” bohrte sich unweit der Firma Krieb, rechts der Straße in Richtung Erbenhausen, tief in den Boden. Der Flugzeugführer lag zer- schmetterten daneben.
FjObfw. Hans Reiff, geboren am 10. Februar 1922 in Geroldsgrün, einer der erfolgreichsten Jagdflieger der 2. Staffel des Jagdgeschwaders 3, war unter Führung des Staffelkapitäns Oberleutnant Walter Brandt, in Paderborn gestartet.
Er selbst war kein Schwarmführer, da ihm vermutlich noch die Erfahrung in den Luftkämpfen mit den Amerikanern fehlte. Der Schwarm in dem er flog wurde von Feldwebel Rudolf Hener geführt, der diesen Tag unversehrt überstand.
Hans Reiff errang am 20. Mai 1942 seinen ersten Luftsieg, als er eine russische MiG 1 bezwang. Kurz danach wurde ihm für diesen Luftsieg das Eisernen Kreuz 2. Klasse verliehen. Bis Ende dieses Jahres konnte er sein Abschußkonto auf 33 hochschrauben, und schon am 30. Juli 1942 erhielt er das Eiserne Kreuz 1. Klasse.
Ab Januar 1943 trug er die Schulterklappen eines Feldwebel und bezwang bis zum 2. Mai 1943 weitere 21 gegnerische Flugzeuge. Für diese Erfolge erhielt er am 26. Juni 1943 das Deutsche Kreuz in Gold. 338 Feindflüge hatte er bis dahin schon bestritten.
(Zeitungsbericht zur Verleihung des Deutschen Kreuz in Gold und die Todesanzeige der Familie.) (Foto: Margaretha Goller)
Aus dem Zeitraum Juni 1943 bis November 1944 liegen uns leider keine Informationen über ihn vor.
Es kann sein, daß er aufgrund seiner großen Erfolge aus dem Kampfgeschehen herausgezogen wurde, um dem Nachwuchs an den Fliegerschulen seine Erfahrungen weiterzugeben.
Über eine evtl. Verwundung, die ihn für längere Zeit aus dem Verkehr gezogen haben könnte, liegen uns keine Beweise vor.
Ein im Osten sehr erfolgreicher Flugzeugführer wurde im Westen verheizt. Es mangelte der deutschen Luftwaffe nicht am Fliegernachwuchs, sondern an gut ausgebildeten Fliegern.
Viele Flugzeugführer aufgelöster Kampf- und Aufklärungseinheiten wurden in die Reichsverteidigung versetzt, dort kurz auf die jeweiligen Jagdeinsitzer geschult und in den Kampf geworfen.
Andere, wie Hans Reiff, kannten die Taktik des Gegners nicht, da sie es bisher mit einem ganz anderen Feind auf einem völlig anderen Kriegsschauplatz zu tun hatten.
Der gefallen FjObfw. wurde in Hachborn eingesargt und zunächst in der Kirche aufgebahrt.
Am nächsten Tag wurde der Leichnam überführt und mit seinen Kameraden auf dem Ehrenfriedhof in Marburg beigesetzt.
(Das Grab auf dem Ehrenfriedhof in Marburg an der Lahn.) (Foto: Dirk Sohl)
Bei unseren bisherigen Recherchen hatten wir viel Erfolg. Im Jahr 1996 konnten wir in Steinbach bei Geroldsgrün die jüngste Schwester des Gefallenen ausfindig machen. Von ihr erhielten wir auch Fotos und Kopien von Zeitungsberichten aus den Kriegsjahren.
Von Herrn Karl Merkel bekamen wir eine Panzerplatte der abgestürzten Maschine, welche er bei der Bergung des Motors in den 1950er-Jahren an sich genommen hatte, Museum überreicht. Er sagte uns auch, daß die Maschine aufgrund der hohen Metallpreise während des Koreakrieges geborgen worden war.
Nach seiner Meinung aber müßte das Luftschraubengetriebe mit oder ohne Luftschrauben noch im Boden unter der Straße stecken.
Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
Ort: Hachborn, Rechts der Straße in Richtung Erbenhausen
Datum: 2. Dezember 1944
Uhrzeit: ca. 12.40 Uhr
Flugzeugtyp: Messerschmitt Bf 109 G-10
Werknummer: 490 372
Kennung: „Schwarze 3”
Motor: 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender V-Motor Daimler Benz DB 605
Einheit: 2. Staffel / Jagdgeschwader 3 „Udet”
Startflughafen: Paderborn
Flugzeugführer: Fahnenjunkeroberfeldwebel Hans Reiff
Erkennungsmarke: 27 572 / 8
Geburtsdatum: 10. Februar 1922
Geburtsort: Geroldsgrün
Verbleib: Gefallen
Grablage: Ehrenfriedhof in Marburg an der Lahn
Absturzursache: Luftkampf mit P-47 „Thunderbolt”
Kehna, Samstag, 2. Dezember 1944
Der sechste deutsche Flugzeugführer, der an diesem Tag im Landkreis Marburg/Biedenkopf sein Leben lassen mußte, war der mit 34 Jahren für einen Jagdflieger schon recht alte Oberfeldwebel Fritz Beck.
Fritz Beck am Anfang seiner Luftwaffenzeit. Dieses Foto zeigt ihn noch als Gefreiten.
(Foto: Christine Spielberger)
Oberfeldwebel Beck stürzte mit seiner Maschine, wahrscheinlich schon von den Bordwaffengeschossen der amerikanischen P-47 „Thunderbolt” in der Luft tödlich getroffen, beim Steinbruch nordwestlich von Kehna ab.
Erst in einer mehrere Tage nach dem Absturz gemachten Nachmeldung des Landratsamtes konnte der Luftschutzbeauftragte die Personalien des gefallenen Flugzeugführers an das Luftgaukommando VI in Münster/Westfalen übermitteln.
Auch Oberfeldwebel Beck flog an diesem Tag, wie seine Kameraden in der I. Gruppe des Jagdgeschwaders 3, eine in den Erla-Werken, Leipzig, gebaute Messerschmitt Bf 109. Seine Maschine mit der Werknummer 490 632 war eine der nagelneuen Bf 109 G-10-Maschinen, die beim Jagdgeschwader 3 vermutlich zum ersten mal im Einsatz waren. Sie trug die Kennung „Weiße 14” beidseitig am Rumpf.
Oberfeldwebel Beck war mit der 1. Staffel des Jagdgeschwaders 3 unter der Führung von Staffelkapitän Leutnant Fritz Mrotzek und den anderen Staffeln der I. Gruppe des „Udetgeschwaders” in Paderborn zu seinem letzten Feindflug gestartet.
(Unteroffizier Fritz Beck (2.v.r.), hier noch als Fluglehrer mit seinen Kameraden. Dieses Foto entstand vermutlich auf der Flugzeugführerschule A/B 13 in Pilsen.) (Foto: Ursula Kaiser)
Der am 4. September 1910 in Nördlingen geborene Flugzeugführer wurde zunächst mit seinen gefallenen Kameraden, einschließlich dem Gruppenkommandeur, unter großer Anteilnahme der Bevölkerung, auf dem Ehrenteil des Marburger Friedhofes beigesetzt. Nach dem Krieg von seiner Familie in die Heimat überführt ruht er nun in einem Privatgrab in Nördlingen/Schwaben.
Leider hatte uns in diesem Fall das Glück zunächst etwas im Stich gelassen.
Erst im August 2006 gelang es uns mit Hilfe des Einwohnermeldeamtes seiner Heimatstadt Nördlingen noch eine Angehörige des gefallenen Flugzeugführers ausfindig zu machen.
Frau Ursula Kaiser geborene Beck, die Tochter des Jagdfliegers, war uns bei unseren Recherchen behilflich und konnte uns noch einige Informationen und Fotos zukommen lassen.
Frau Kaiser hatte ihren Vater nicht mehr kennenlernen dürfen. Eine Woche nach seinem Fliegertod kam sie zur Welt. Von ihrer Mutter erfuhr sie nicht viel über ihn, da diese ihren Schmerz damit bewältigte, nicht mehr über ihn zu sprechen.
Alle Informationen über ihren Vater erhielt Frau Kaiser von einer inzwischen verstorbenen Schwester ihres Vaters und einigen seiner Sportkameraden.
In einem Brief vom 25.08.2006 schrieb sie mir u.a.:
„Mein Vater Fritz Beck -genannt „Diez”- wurde am 04.09.1910 in Nördlingen geboren. Er sollte den Beruf des Bäckers erlernen, um die elterliche Bäckerei zu übernehmen. Wegen seiner außerordentlichen sportlichen Begabungen (Turnen, Handball, Einradfahren, Skifahren und -springen, Segelfliegen und Marathonlaufen, brach er die Lehre ab und machte in Berlin die Ausbildung zum Turn- und Sportlehrer. Am 23. Dezember heiratete er in Nördlingen meine Mutter Wilhelmine Kohn.
Warum und wo er zum Fluglehrer ausgebildet wurde, weiß ich leider nicht. Wenn ich mich recht erinnere, muß er wohl in Pilsen stationiert gewesen sein.
Am 27. März 1941 wurde mein Bruder Hans Dieter Beck geboren.
Eine kleine Geschichte am Rande: Mehrmals hat er seiner Frau Kurzbesuche abgestattet. Er hat dann über Nördlingen seine Kreise gezogen, so daß die Becks wußten: „Der Diez ist da.”
Die 10 km bis zum Heuberger Großflughafen lief meine Mutter mit den Kindertragen, um ihren Mann zu treffen. ...
1950 hat meine Mutter den Freund meines Vaters, der ihm zu Lebzeiten das Versprechen gab, sich im Falle seines Todes um uns zu kümmern, geheiratet.”
In einem Brief an seine Schwester vom 12. November 1944, der uns freundlicherweise von Frau Kaiser in Kopie zur Verfügung gestellt wurde schrieb Fritz Beck, daß es ihm ganz ausgezeichnet ging. Er war mit „Freude” bei seiner Einheit und er hoffte noch recht lange bei seinem „Haufen” bleiben zu können.
Er erwähnte, daß er und seine Kameraden bei einem Einflug in Mitteldeutschland mit vertreten waren und „der Himmel voller Geigen hing”.
Wenn er ein Abschuß tätige, was er für seinen nächsten Flug unter allen Umständen hoffte, würde er es sofort mitteilen. Aber so leicht ging es nicht, da er ja hauptsächlich gegen „Jäger” zu kämpfen habe. Ein Pilot in einem amerikanischen Jagdflugzeug war es schließlich auch, der das Schicksal dieses Jagdfliegers besiegelte.
Im Jahr 2009 konnten wir dann Verbindung mit Frau Christine Spielberger. Sie arbeitete an einer Familienchronik und konnte uns auch noch Informationen zum Leben von "Diez" Beck und auch ein Portraitfoto von ihm zur Verfügung stellen.
Steht man heute nahe der Aufschlagstelle am ehemaligen Steinbruch bei Kehna, stellt man fest, daß der Aufschlagtrichter zwar noch vorhanden, aber rundherum mit Gebüsch zugewachsen ist. Heute ist die Umgebung des Steinbruchs „Naturschutzgebiet”.
Helmut Heck (+) aus Niederwalgern hat an dieser Absturzstelle schon vor vielen Jahren, als die Stelle noch frei zugänglich war, Teile der Maschine und vor allem Munition der Bordwaffen gefunden. Dieser hochbrisante Fund wurde damals dem Kampfmittelräumdienst Hessen mitgeteilt, und Mitarbeiter der Firma Tauber haben in mühevoller Kleinarbeit diese gefährlichen Hinterlassenschaften des 2. Weltkriegs entsorgt.
(Die Todesanzeige der Familie vom Dezember 1944.) (Foto: Ursula Kaiser)
Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
Ort: Kehna, Am Steinbruch nordwestlich des Dorfes
Datum: 2. Dezember 1944
Uhrzeit: ca. 12.30 Uhr
Flugzeugtyp: Messerschmitt Bf 109 G-10
Werknummer: 490 632
Kennung: „Weiße 14”
Motor: 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender V-Motor Daimler Benz DB 605
Einheit: 1. Staffel / Jagdgeschwader 3 „Udet”
Startflughafen: Paderborn
Flugzeugführer: Oberfeldwebel Fritz Beck
Geburtsdatum: 4. September 1910
Geburtsort: Nördlingen
Verbleib: Gefallen
Grablage: Privatgrab in Nördlingen / Schwaben
Absturzursache: Luftkampf mit P-47 „Thunderbolt”
Lohra, Samstag, 2. Dezember 1944
Auch bei Lohra stürzte an diesem Tag ein deutsches Jagdflugzeug ab. Etwas östlich von Lohra, auf einer recht steilen Viehweide schlug um etwa 12.30 Uhr eine Messerschmitt Bf 109 G auf.
Hier konnte von den bestürzt zur Hilfe eilenden Bewohnern festgestellt werden, daß der Flugzeugführer nicht mehr in der Maschine war.
Das einmotorige Jagdflugzeug hatte sich mit solch einer Kraft in den Erdboden gebohrt, daß der Flugzeugführer chancenlos gewesen wäre.
Die Meldung des Landrates an das Luftgaukommando VI in Münster in Westfalen beinhaltete dazu folgenden Text:
„Gemarkung Lohra:
Verbleib des Piloten unbekannt. Bei Marburg landete mit Fallschirm Fähnrich Tatzreiter. Er trat am gleichen Tag die Rückreise zu seinem Heimathafen Paderborn an.
Da von allen übrigen Maschinen der Verbleib des Piloten geklärt ist, muß angenommen werden, daß es sich bei Lohra um die Maschine des Fähnrich Tatzreiter handelt.”
Diese Annahme konnte in einem Nachtrag bestätigt werden.
Auch Fähnrich Friedrich Tazreiter mit seiner Messerschmitt Bf 109 wurde von den Piloten der 63. Fighter Squadron der USAAF in den P-47 „Thunderbolt” beschossen.
Er konnte sich aber noch aus der schwer getroffenen Maschine befreien und landete unverletzt bei Marburg.
Er sollte der einzige deutsche Flugzeugführer sein, der unverletzt blieb, als er an diesem Tag seine Maschine im Landkreis Marburg verlassen mußte.
Auch hier gestalteten sich die Nachforschungen sehr schwierig. Da alle Verluste im Raum Marburg an diesem Tag dem Jagdgeschwader 3 „Udet” zugeordnet werden konnten und Fähnrich Tazreiter seine Rückreise zu seinem Heimatflughafen Paderborn antrat, wurden unsere Recherchen gleich in Richtung Stab und I. Gruppe/ Jagdgeschwader 3 gelenkt.
Und tatsächlich! Am Neujahrstag 1945, als die Jagdflieger der deutschen Luftwaffe beim „Unternehmen Bodenplatte”, einen Teil der von Briten und Amerikanern belegten Flugplätze in Belgien, Holland und Westfrankreich angriffen und dabei durch den Gegner, aber auch durch die eigene, nicht informierte Flak, enorme Verluste hatten, wurde auch eine Verlustmeldung über einen Fähnrich Tatzreiter erstellt.
Es steht heute außer Zweifel, daß es sich dabei um den gleichen Flieger handelte, der einen Monat vorher bei Marburg aus seiner Maschine abspringen mußte.
Fähnrich Friedrich Tazreiter von der 1. Staffel des Jagdgeschwaders 3 „Udet” geriet am 1.1.1945 nahe des Flugplatzes Eindhoven in Kriegsgefangenschaft, nachdem seine Messerschmitt Bf 109 G-14/AS von der Flak getroffen wurde und er erneut mit dem Fallschirm abspringen mußte. Nach amerikanischen Angaben wurde er an diesem Tag verwundet.
Als Angehöriger der 1./JG 3 müßte er am 2.12.1944, als er im Raum Marburg absprang eine Me Bf 109 der Baureihe G-10 geflogen haben. Die 1. Staffel trug weiße Kennungen, welche Nummer er aber in weiß an seiner Maschine trug, wird sich wohl nicht mehr klären lassen.
Eine Suche nach dem ehemaligen Fähnrich der deutschen Luftwaffe in den letzten Jahren blieb leider erfolglos. Selbst die Gemeinschaft der Jagdflieger - Vereinigung der Flieger deutscher Streitkräfte - konnte uns bisher leider nicht weiterhelfen.
Im Jahre 2008 gelang es dann Horst Jeckel aus Londorf ein Foto des FF über Quellen in Österreich zu organisieren.
Friedrich Tazreiter mit seiner Mutter im Jahr 1944 (Foto: Horst Jeckel)
Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
Ort: Lohra, Östlich des Dorfes
Datum: 2. Dezember 1944
Uhrzeit: ca. 12.30 Uhr
Flugzeugtyp: Messerschmitt Bf 109 G-10 ?
Werknummer:
Kennung: „Weiße ...”
Motor: 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender V-Motor Daimler Benz DB 605
Einheit: 1. Staffel / Jagdgeschwader 3 „Udet”
Startflughafen: Paderborn
Flugzeugführer: Fähnrich Friedrich Tazreiter
Erkennungsmarke:
Geburtsdatum:
Geburtsort:
Verbleib: Unverletzt durch Fallschirmabsprung- Geriet am 01.01.1945 in Kriegsgefangenschaft
Absturzursache: Luftkampf mit P-47 „Thunderbolt”
Oberweimar, Samstag, 2. Dezember 1944
Bei Oberweimar gingen an diesem Tag ebenfalls zwei Jagdflugzeuge des Typ Messerschmitt Bf 109 G-10 zu Boden.
Rechts der ehemaligen Reichsstraße 255, der heutigen B 255, in Richtung Nanzhausen schlug die Maschine mit der Werknummer 490 367 und der Kennung „Weiße 1” auf und wurde vollständig zerstört.
Flugzeugführer dieser Maschine war der am 7. September 1920 in Molbitz geborene Feldwebel Günter Pfaucht, der mit seinen Kameraden von der 1. Staffel des Jagdgeschwaders 3 „Udet” in Paderborn zu diesem Einsatz gestartet war.
(Günter Pfaucht, hier noch als Obergefreiter, mit Feldjacke und Fliegerhaube.) (Foto: Gilda Pfaucht)
Ihm gelang es nach dem Beschuß durch eine amerikanischen P-47 „Thunderbolt” noch seine Maschine mit dem Fallschirm zu verlassen, aber auch er hatte nicht das nötige Glück und blieb ebenfalls wie so viele andere seiner Kameraden mit den Fallschirmleinen am Leitwerk hängen und wurde von der Maschine zu Boden gerissen.
Sein Leichnam lag an der Absturzstelle und wies außer einer Verletzung am Hinterkopf keine weiteren sichtbaren Verwundungen auf.
Feldwebel Pfaucht wurde eingesargt und zunächst in der Kirche in Allna aufgebahrt. Später wurde er nach Marburg überführt und gemeinsam mit seinen Kameraden auf dem Ehrenfriedhof in Marburg an der Lahn beigesetzt.
Die in Leipzig bei den Erla-Werken hergestellte neue Messerschmitt Bf 109 G-10 war vollständig zertrümmert. Die Wrackteile wurden von der Landwacht bewacht, bis sie von einem Bergungskommando abgeholt wurden. Auch hier dürfte es sich um ein Kommando des Fliegerhorst Bracht gehandelt haben, welches die Teile wegen des eklatanten Rohstoffmangels im Deutschen Reich wieder der Industrie zuführen sollte.
Mit dem Tod dieses Flugzeugführers hatte die von Leutnant Fritz Mrotzek geführte 1. Staffel des „Udetgeschwaders” an diesem Tag im Raum Marburg ihren zweiten Gefallenen zu beklagen, da ja auch Oberfeldwebel Fritz Beck, der bei Kehna fiel, Angehöriger dieser Einheit war.
(Die Beisetzung der gefallenen Flugzeugführer auf dem Ehrenfriedhof in Marburg (Lahn). Deutlich sind die sieben Särge zu erkennen.) (Foto: Ursula Kaiser)
Das Grab des Günter Pfaucht befindet sich noch heute auf dem Friedhof in Marburg.Mit etwas Glück gelang es uns auch hier, noch eine Angehörige des Fliegers ausfindig zu machen. Eine Schwägerin, Frau Gilda Pfaucht, hatte nach dem Krieg nach Hadamar geheiratet und konnte mir mit zwei Fotos für diese Chronik einen wertvollen Dienst erweisen.
(Günter Pfaucht noch als Flieger. Eines seiner ersten Fotos in Luftwaffenuniform.) (Foto: Gilda Pfaucht)
Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
Ort: Oberweimar, Rechts der heutigen B 255 in Richtung Nanzhausen
Datum: 2. Dezember 1944
Uhrzeit: ca. 12.30 Uhr
Flugzeugtyp: Messerschmitt Bf 109 G-10
Werknummer: 490 367
Kennung: „Weiße 1”
Motor: 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender V-Motor Daimler Benz DB 605
Einheit: 1. Staffel / Jagdgeschwader 3 „Udet”
Startflughafen: Paderborn
Flugzeugführer: Feldwebel Günter Pfaucht
Erkennungsmarke: 262 283 / 341
Geburtsdatum: 7. September 1920
Geburtsort: Molbitz bei Neustadt an der Orla
Verbleib: Gefallen
Absturzursache: Luftkampf mit P-47 „Thunderbolt”
Oberweimar, Samstag, 2. Dezember 1944
Der neunte Absturz eines deutschen Jagdflugzeugs an diesem Tag im Raum Marburg/Lahn wurde auch zu einem der interessantesten Fälle für uns.
Es war etwa 12.30 Uhr, als links der ehemaligen Reichsstraße 255 von Oberweimar in Richtung Nanzhausen ein deutsches Jagdflugzeug aufschlug. Die Aufschlagstelle dieser Maschine lag nur etwa 40 bis 50 Meter entfernt von der Stelle, an der Feldwebel Günter Pfaucht am gleichen Tag sein Leben lassen mußte.
In den Schreiben des damaligen Gendarmen an den Landrat in Marburg wurde erwähnt, daß der Flugzeugführer dieser Maschine mit dem Fallschirm im Wald beim Schloß Germershausen gelandet sei. Von dort wurde er von einem „Zivilfranzosen” ins Schloß von Herrn Hydwolff gebracht, wo er von einem anwesenden Professor der Marburger Kinderklinik verbunden und dann nach Marburg gebracht wurde.
Die Verwundungen, ein Durchschuß an der rechten Schulter und ein Streifschuß am Arm, sollen leichterer Art gewesen ein.
Die Personalien konnte der Gendarm nicht feststellen, will aber in Erfahrung gebracht haben, daß er Stock geheißen habe. Seine Vermutung aber, daß es sich um einen Zusammenstoß von zwei deutschen Maschinen handelte, konnte nicht bestätigt werden.
In den Verlustlisten des Jagdgeschwaders 3 „Udet” fanden wir dann auch den Namen.
Der am 19. Mai 1923 in Wallau an der Lahn geborene Gefreite Oskar Stock war mit seinen Kameraden der 2. Staffel des Jagdgeschwaders 3 in Paderborn zu einem Feindflug gestartet. Er flog eine bei Erla in Leipzig gebaute funkelnagelneue Messerschmitt Bf 109 G-10 mit der Werknummer 490 385. Als Kennung am Rumpf der Maschine war die „Schwarze 2” aufgemalt.
Unter Bemerkungen stand im Gegensatz zur Meldung des Gendarmen, daß Oskar Stock nach Beschuß zur Bauchlandung gezwungen gewesen wäre.
Helmut Heck (+), Niederwalgern, der aber schon jahrelang recherchiert hatte, teilte uns aber mit, daß die Maschine eindeutig ohne Flugzeugführer aufgeschlagen sei, was den Bericht des Gendarmen auch bestätigte.
Über die Suchdienstzentrale der Gemeinschaft der Jagdflieger, mit großer Unterstützung von Herrn Wilhelm Göbel, gelang es uns im Jahre 1997, Herrn Oskar Stock ausfindig zu machen.
Als Sohn des Arztes Kuno Stock lebte er bis zu seiner Freiwilligmeldung in seinem Elternhaus in Wallau an der Lahn. Nach dem Krieg zog es in beruflich in das Ruhrgebiet. Im Ruhestand zog er zurück in seine Heimat nach Wallau, wo wir ihn auch ausfindig machen konnten. Nach einem kurzen Telefonat lud er uns ein. An einem freien Tag fuhren wir zu zweit nach Wallau und besuchten das Ehepaar Stock, welches sehr überrascht war, daß nach so langer Zeit sich noch jemand für diesen Vorfall interessierte.
Herr Stock sagte uns, daß er vor diesem Einsatz hauptsächlich Flüge mit Maschinen des Typs Messerschmitt Bf 109 für die Erla Flugzeugwerke in Leipzig durchgeführt habe. Es waren Testflüge und Überführungsflüge von Dresden-Klotzsche nach Leipzig-Mockau. Er vermutete selbst, daß diese Flüge im und um den September 1944 stattgefunden haben. Später dann stieß er zum Jagdgeschwader 3.
Nach seinen Erinnerungen sei er in einem Schwarm mit FjObfw. Reiff und Fw. Pfaucht, unter Führung von Fw. Hener in der Höhenjagdgruppe des Geschwaders geflogen. In großer Höhe, er vermutet fast 10.000 Meter, wurde der Schwarm plötzlich von einem von hinten aus den Wolken stoßenden P-47 „Thunderbolt”-Verband angegriffen und nahezu aufgerieben. Nur der Schwarmführer konnte entkommen. Reiff, Pfaucht und Stock mußten ihre Messerschmitts verlassen und sprangen mit dem Fallschirm ab. Diesen Fallschirmabsprung überlebte nur der Gefreite Oskar Stock. Er landete in hohen Fichten und wurde in das „Heydwolffsche Schloß” gebracht, wo er seine Erstversorgung erhielt.
Leider hatte Oskar Stock keine Fotos mehr von der Zeit seiner Luftwaffenzugehörigkeit, doch hatte er seine Fliegerhaube und seine Fliegerjacke über all die Jahre aufgehoben.
Bei unserem Besuch in Wallau zog er diese auf meine Bitte noch einmal über. So sehen wir hier auf den Fotos Oskar Stock mit den geretteten Utensilien.
(Oskar Stock (+), rechts, und Helmut Heck (+), links, bei unserem ersten Besuch 1998 in Wallau.) (Foto: Dirk Sohl)
Im Januar 2009 verstarb Oskar Stock im Alter von 85 Jahren.
Es war sein Wunsch, den 2. Dezember 1944 als seinen zweiten Geburtstag in seiner Sterbeanzeige zu erwähnen.
Die Todesanzeige für Oskar Stock in der Marburger Neue Zeitung vom 10. Januar 2009.
Siehe die beiden Geburtsdaten.
Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
Ort: Oberweimar, Links der heutigen B 255 in Richtung Nanzhausen
Datum: 2. Dezember 1944
Uhrzeit: ca. 12.30 Uhr
Flugzeugtyp: Messerschmitt Bf 109 G-10
Werknummer: 490 385
Kennung: „Schwarze 12”
Motor: 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender V-Motor Daimler Benz DB 605
Einheit: 2. Staffel / Jagdgeschwader 3 „Udet”
Startflughafen: Paderborn
Flugzeugführer: Gefreiter Oskar Stock
Erkennungsmarke: 59 741 / 628
Geburtsdatum: 19. Mai 1923
Geburtsort: Wallau an der Lahn
Verbleib: Verwundet - Fallschirmabsprung
Absturzursache: Luftkampf mit P-47 „Thunderbolt”