Fliegerschicksale über Lumda, Lahn und Ohm
  Mengsberg, 08. April 1945
 
 


Mengsberg, Sonntag, 8. April 1945

Nachdem amerikanische Bodentruppen bereits in den letzten Märztagen die Ortschaften des heutigen Landkreis Marburg/Biedenkopf mit wenigen Ausnahmen kampflos eingenommen hatten, stürzte im Wald zwischen Lischeid, Mengsberg und Momberg, noch in der Nacht vom 8. auf den 9. April 1945, ein viermotoriges britisches Kampfflugzeug ab.
Schon vor vielen Jahren bekamen wir erste Informationen zu diesem Absturz, die wir aber zunächst nicht zuordnen konnten.

Endlich gelang es uns dann aber eine Absturzstelle ausfindig zu machen, die eindeutig einer Avro Lancaster zugeordnet werden konnte. Auch gelang es Hans Joachim Adler aus Frankenau von der Arbeitsgemeinschaft Luftkrieg im Ederbergland die Witwe des 1951 bei einem Flugunfall ums Leben gekommenen Bordfunkers Flight Sergeant Bill Bitmead ausfindig zu machen und mit ihrer Hilfe ein weiteres Besatzungsmitglied dieser Maschine kennen zu lernen. Dank der guten Zusammenarbeit von Hans-Joachim Adler und Tony Cliff, dem Bombenschützen, konnte auch dieser Absturz weitgehend aufgeklärt werden.

Das britische Bomber Command griff in der Nacht vom 8. auf den 9. April 1945 mit 440 Maschinen Hamburg an. Ein zweites Ziel dieser Nacht war das Hydrierwerk Lützkendorf bei Mücheln, etwa 80 Kilometer westlich von Leipzig. In der Nacht griffen 231 viermotorige Bomber vom Typ Avro Lancaster und elf zweimotorige Schnellbomber de Haviland Mosquito der 5. Bomber Group die dort befindlichen Anlagen der Wintershall AG an. Sechs der auf Lützkendorf angesetzten viermotorigen Bomber kehrten nicht auf ihre Basen nach England zurück.

Es war die Avro Lancaster B.III mit der Seriennummer ME 478, die von ihrer Besatzung südlich Kassel aufgegeben werden mußte und unmittelbar nach dem Absprung des letzten Besatzungsmitglieds, des 20-jährigen Piloten Flying Officer Noel Stewart Ferris aus Armidale, New South Wales, Australien, im Wald bei Mengsberg aufschlug.


(Die Besatzung der ME478) (Foto via Hans-Joachim Adler)


(Noel Stewart Ferris, der Pilot der Lancaster ME478.)
(Foto: Royal Australian Air Force)

Die siebenköpfige Besatzung der 463. Bomber Squadron war vom Flugfeld Waddington in Lincolnshire, England, zu diesem Einsatz gestartet. Der Hinflug verlief zunächst recht ruhig.
Im Raum Lützkendorf explodierte um 22.35 Uhr in unmittelbarer Nähe der Maschine eine schwere Granate der dort noch stark vertretenen deutschen Flak.
An beiden Flächenwurzeln und zwischen den beiden Backbordmotoren entstanden Schäden durch die Flaksplitter. Beide Motoren an dieser Seite verloren Leistung und die Maschine ging aus einer Höhe von etwa 16000 Ft. bis 8000 Ft. in den Sturzflug über.

Vom Bombenschützen, dem 23 Jahre alten Flight Sergeant Brian Rupert „Tony” Cliff aus Manly, New South Wales, Australien, wurden auf Befehl des Piloten, die Bomben im Notwurf abgeworfen. Nachdem die Maschine sich wieder gefangen hatte, begann nun auch der rechte Innenmotor stark zu vibrieren, so daß auch er ausgeschaltet werden mußte. Der linke Innenmotor lief nur noch in Segelstellung, um die Stromversorgung für die Instrumente und Armaturen sicherzustellen.

Sofort ging der Pilot auf Gegenkurs und plante den Ausweichplatz Juvincourt in Frankreich anzufliegen. Der Navigator Flight Officer Stuart Douglas Richardson, bei diesem Einsatz schon 27 Jahre alt, aus Victor Harbour, Australien, beschäftigte sich sofort mit der Berechnung der Koordinaten für den Flug nach Juvincourt.

(Der Navigator Stuart Douglas Richardson.)
(Foto: Royal Australian Air Force)

Mit den beiden verbliebenen noch funktionierenden Außenmotoren flog die Maschine noch eine geraume Zeit in Richtung Westen. Nach etwa einer Dreiviertel Stunde begann auch der rechte äußere Steuerbordmotor, vermutlich aufgrund des Heißlaufens des Motors, stark zu vibrieren und fiel anschließend aus. Sofort verlor die Lancaster nochmals stark an Höhe. Aber auch hier gelang es dem Piloten nochmals kurzzeitig die Kontrolle über die Maschine wieder zu bekommen. In einer Höhe von etwa 5500 Ft. befahl er der Besatzung abzuspringen. Alle sprangen nacheinander ab und als Letzter noch in etwa 3200 Ft. Höhe, als der Bomber plötzlich nach rechts eindrehte, der Pilot. Alle sieben Männer kamen sicher am Boden an. Nur wußten sie zunächst nicht, wo genau sie sich befanden. Waren sie in einem Gebiet in dem noch die Deutsche Wehrmacht war oder schon in einer von den Alliierten „befreiten” Gegend?

Der Pilot, Flying Officer Ferris marschierte nach seiner geglückten Fallschirmlandung neun Stunden in Richtung Westen und kam nach Marburg, wo er US-Soldaten traf, die ihn bis nach Poix in Frankreich bringen ließen, von wo er nach Cottesmore, England geflogen wurde.

Flight Sergeant Harry Bigwood, der Bordmechaniker und einzige Engländer in der ansonsten nur aus Australiern bestehenden Besatzung, ging etwa sechs Stunden lang durch den Wald und traf bei Jesberg einen mit US-Soldaten besetzten Jeep. Diese G.I. brachten ihn nach Gießen. Von dort wurde er über Le Havre nach Bovingdon geflogen.

Der Bombenschütze, F/S Tony Cliff ging die zwei Meilen bis Emsdorf, wo er ebenfalls einem amerikanischen Soldaten in die Hände lief. Dieser brachte ihn zu seiner, vermutlich bei Stadtallendorf liegenden Einheit. Von dort wurde er dann über Gießen nach Lyneham heimgeflogen.

(Tony Cliff, der Bombenschütze in „Räuberzivil".)
(Foto: Royal Austalian Air Force) 

Auch die anderen vier Besatzungsmitglieder waren nach Aussagen des Navigators, F/O Richardson, bis zum 11. April 1945 unverletzt bei ihren Alliierten angekommen.

Der Bordfunker, Warrant Officer Murray Reed „Bill” Bitmead, 21 Jahre alt, aus Nailsworth, der 23jährige Mittelturmschütze, F/S George Phillip Brown aus Grafton und der Heckschütze, W/O James Hayes aus Swan Hill, Victoria, konnten ebenso wie die anderen Kameraden der Besatzung ihre Heimat gesund wiedersehen.

Absturz eines viermotorigen britischen Bombers
 

Ort:       Mengsberg, Im Wald zwischen Mengsberg, Momberg u. Lischeid 

Datum:      08. April 1945

Uhrzeit:      ca. 23.25 Uhr

Flugzeugtyp:      Avro Lancaster B. III

Werknummer:      ME478

Hersteller:      A.V. Roe & Co Ltd., Yeadon, Yorkshire

Motoren:      4 wassergekühlte 12 Zylinder Rolls-Royce Merlin XXIV

Einheit:      No. 463. Squadron. No. 5 Group

Kennung:      J O (Kokarde) E

Heimatflughafen:      Waddington, Lincolnshire

Startzeit:         . Uhr

Angriffsziel:      Lützkendorf

Absturzursache:      Flaksplitter

Besatzung:

Pilot: F/O Noel Stewart Ferris (RAAF) Unverletzt

Bordmechaniker: F/S Harry Bigwood (RAF) Unverletzt

Navigator: F/O Stuart Douglas Richardson (RAAF) Unverletzt

Bombenschütze: F/S Brian Rupert Cliff (RAAF) Unverletzt

Bordfunker: W/O Murray Reed Bitmead (RAAF) Unverletzt

Mittelturmschütze: F/S George Phillip Brown (RAAF) Unverletzt

Heckschütze: W/O James Hayes (RAAF) Unverletzt


 


 
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