Fliegerschicksale über Lumda, Lahn und Ohm
  Leidenhofen, 02. März 1944
 

 Leidenhofen, Donnerstag, 02. März 1944

Ende Oktober 1995 ging ein Bericht durch die örtliche Presse, der sich auf die Bergung eines deutschen Jagdflugzeugs bei Harbach im Kreis Gießen bezog.

Einer privaten Initiative gelang es am 28. Oktober 1995, aus dem Acker der Familie Hensel in dem Grünberger Ortsteil Wrackteile eines deutschen Jagdflugzeugs vom Typ Messerschmitt Bf 109 zu bergen.
Zwischen den Wrackteilen fand man auch die sterblichen Überreste des Flugzeugführers. Dieser wurde eingesargt und unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf dem Friedhof in Harbach beigesetzt.
Es handelte sich um den am 02. März 1944 gefallenen Flugzeugführer Artur Hans Lämmel aus Chemnitz der in der 9.Staffel des Jagdgeschwader 3 „Udet” flog. Er war nicht der einzige Verlust dieser Einheit an diesem Tag. Auch über dem Ebsdorfer Grund wurde eine Maschine der selben Staffel von amerikanischen Jagdflugzeugen abgeschossen. Auch hier kam der junge Flugzeugführer beim Absturz seiner Messerschmitt Bf 109 G-6 am Fuße des „Kalten Stall” südlich von Leidenhofen ums Leben.

(Unteroffizier Hans Schüler. Er starb bei Leidenhofen in den Trümmern seiner Maschine.)(Foto: Archiv Sohl)

Augenzeugen berichteten, daß er sich im Luftkampf gegen zwei „Amis” wehren mußte, aber keine Chance hatte. Er versuchte, im Tiefflug zu entkommen. Die US-Jäger verfolgten ihn aber bis seine Maschine mit hoher Geschwindigkeit in die Bäume schlug.
Es könnte sein, daß er noch versucht hatte, mit dem Fallschirm aus der Maschine herauszukommen, aber die Flughöhe war sicherlich nicht mehr ausreichend, daß der Schirm sich noch hätte öffnen können.
Die sterblichen Überreste des erst 23jährigen Unteroffiziers waren mit den Wrackteilen der Maschine im Umkreis mehrerer hundert Meter im Wald verteilt und mußten mühevoll zusammengesucht werden.
Der Leichnam wurde zunächst in der Kirche in Leidenhofen aufgebahrt, am nächsten Tag von einem Luftwaffenkommando vom Fliegerhorst in Gießen abgeholt, mit der Reichsbahn in seine Heimat überführt und mit allen militärischen Ehren auf dem Kriegsgräberfriedhof in der Lönsstraße, Block D, Grab 24, in Wuppertal beigesetzt.

(Das Grab von Hans Schüler auf dem Ehrenfriedhof in Wuppertal-Oberbarmen)(Foto: Dirk Sohl)

Der am 29. September 1920 in Wuppertal-Barmen geborene Unteroffizier Hans Schüler war mit Teilen der 9. Staffel des „Udet-Geschwaders” (Jagdgeschwader 3) in Leipheim bei Ulm gestartet, um sich an der Abwehr eines Angriffs von 481 amerikanischen Bombern auf Frankfurt am Main zu beteiligen.
Doch der Schutzschirm der amerikanische Begleitjäger, bestehend aus 589 einmotorigen Jagdflugzeugen der Typen Republic P-47 „Thunderbolt” und North American P-51 „Mustang” sowie der zweimotorigen „Gabelschwanzteufel” Lockheed P-38 „Lightning” war fast undurchdringlich.
Nur vereinzelt stießen deutsche Jagdflugzeuge bis zu den Bombern vor. Als die Amerikaner nach dem Einsatz wieder in England landeten, meldeten sie 12 viermotorige Bomber und vier Begleitjäger als Verlust. Die deutsche Jagdwaffe verlor an diesem Tag 23 Maschinen, drei davon durch Unfälle.
Das Jagdgeschwader 3, das im hessischen Raum in die Luftkämpfe eingriff, meldete vier Gefallene.
Neben den Unteroffizieren Lämmel bei Harbach und Schüler bei Leidenhofen fielen der Oberfeldwebel Papendick bei Busenborn im Vogelsberg und der Gefr. Friedrich-Wilhelm Boerner bei Aschaffenburg.
Zwei amerikanische Mustang-Piloten meldeten um 12.40 Uhr jeweils einen Luftsieg über deutsche Messerschmitt-Jagdflugzeuge. Major Thomas Lloyd Hayes Jr. und 1stLt. John B. Carder, beide von der 364. Fighter Squadron, geben als Abschußort: „Nördlich Frankfurt” an, was ja auch der Tatsache entsprechen würde. Es muß davon ausgegangen werden, daß Oberfeldwebel Papendick und Unteroffizier Schüler diesen beiden zum Opfer fielen. Unteroffizier Lämmel fiel wahrscheinlich durch die Geschosse aus dem Abwehrwaffen der viermotorigen Bomber, und der Gefreite Boerner kam aufgrund „Unfreiwilliger Bodenberührung” beim Durchstoßen der Wolken ums Leben.
Da die Augenzeugen aus Ebsdorf und Hachborn von einem Luftkampf zwischen drei Maschinen berichteten, zwei amerikanischen Jägern und einer Messerschmitt Bf 109, konnte zunächst noch nicht geklärt werden, welcher der beiden Amerikaner die Maschine mit Unteroffizier Schüler bei Leidenhofen abschießen konnte. Erst Anfang 2007 wurde uns der Gefechtsbericht von Mj. Thomas L. Hayes Jr. vorgelegt.
Dieser schrieb nach dem Einsatz, daß er sich mit seiner Einheit als Begleitschutz über einem zurückfliegenden Pulk B-24 „Liberator” befand, als er hinter sich zwei feindliche einmotorige Flugzeuge erkannte, die nach seiner Vermutung den hinteren Teil des Bomberverbandes angegriffen hatten. Er befahl seiner Einheit die Kraftstoffzusatzbehälter abzuwerfen und begann mit der Verfolgung der beiden Deutschen, die er als Me Bf 109 identifizieren konnte. Die beiden deutschen Maschinen trennten sich, als sie sich der Gefahr durch die amerikanischen P-51 „Mustang” bewußt wurden. Bei seinem ersten Angriff konnte er schon einige Treffer in der von ihm verfolgten Messerschmitt erkennen. Bei seinem zweiten Angriff in etwa 1000 ft. Höhe feuerte er von hinten in die deutsche Jagdmaschine und brachte unter anderen dem Daimler-Benz-Motor Treffer aus seinen Browning-Maschinengewehren bei, welches er daran erkannte, daß der Motor sofort zu rauchen begann. Mj. Hayes vermutete, daß er sich über Altenstadt befand, was aber heute so gut wie ausgeschlossen werden kann. Er berichtete weiter, daß die feindliche Maschine plötzlich steil abkippte und in einen Wald, etwa eine Meile von der nächsten Ortschaft entfernt, stürzte.
Der Flugzeugführer sei nicht mehr aus der Maschine heraus gekommen. Er vermutete, was wahrscheinlich auch den Tatsachen entspricht, daß der gegnerische Pilot durch die hintere Panzerplatte hindurch getroffen worden war. Er sah den Absturz zwar nicht, konnte nach dem Hochziehen aber erkennen, daß schwarzer Rauch aus dem Wald aufstieg. Lt. Humphry, sein Rottenflieger aber beobachtete Absturz und Explosion und konnte ihm seinen Luftsieg bestätigen. Mj. Hayes meldete in diesem Einsatz je eine Me 109 und einen Luftwaffenpiloten als vernichtet.Insgesamt verbuchte diese Ass der amerikanischen Luftwaffe in seiner Jagdfliegerkarriere 8 ½ Luftsiege. Beim Absuchen des Waldstückes Ende der 80er Jahre fanden wir neben einzelnen Blechteilen, die wir unter anderen auch dem Kabinenbereich zuordnen konnten, ein amerikanisches Geschoß des Kalibers 50, etwa 12,7 mm.
Die amerikanischen „Mustang” waren damals mit sechs Browning-Maschinengewehren dieses Kalibers ausgerüstet, und da das Geschoß deformiert war, kann man davon ausgehen, daß es seinen Anteil am Absturz der Messerschmitt hatte.
Im Jahre 1996 gelang es uns nach vielen Briefen, eine Angehörige des gefallenen deutschen Fliegers ausfindig zu machen. Eine Halbschwester, die noch in Wuppertal lebte, bekam einen meiner vielen Briefe an die Personen mit dem Namen Schüler durch einen Zufall zur Hand. Durch ihre Heirat trug sie einen anderen Nachnamen, und ein Bekannter konnte sich daran erinnern, daß sie eine geborene Schüler war. Sie konnte sich an ihren Halbbruder Hans nicht erinnern, da sie selbst erst 1941 geboren wurde, konnte aber berichten, daß Hans Schüler als Flugzeugführer und sein Bruder Ludwig bei einer Panzereinheit im Osten gefallen waren. Der Vater starb im Jahre 1967 und die Mutter im Jahre 1995.
Im Nachlaß fand sie noch zwei Fotos, die einmal Hans Schüler allein und einmal mit seinem Vater und seinen Bruder zeigen.

(Hinten rechts: Hans Schüler, neben ihm sein Bruder Ludwig und vorne in der Mitte der Vater) (Foto: Archiv Sohl)

Heute erinnert bei Leidenhofen nur noch ein kleiner, meist mit Grundwasser gefüllter, etwa drei mal drei Meter großes Trichter an den Todesort von Hans Schüler.
Wer diese Geschichte nicht kennt, würde diesen für einen Bombentrichter halten, aber er entstand in den 50er- Jahren während des Koreakrieges, als der Daimler-Benz-Motor der Maschine dort geborgen wurde, um der Altmetallverwertung zugeführt zu werden.

(Der Trichter im Wald bei Leidenhofen) (Foto: Dirk Sohl)

Vereinzelt finden sich auch heute noch kleinere Flugzeugteile im Wald. Da die Maschine mit mindestens zwei Maschinengewehren vom Typ Rheinmetall MG 131 und einem vom Typ Mauser MG 151/20 ausgestattet war, ist noch immer damit zu rechnen, daß hochbrisante Munition der Kaliber 13,1 mm und 20 mm im Waldboden liegt.

(Verschiedene an der Absturzstelle gefundene Teile. U.a.: Kehlkopfmikrophon,Geschoß vom amerikanischen Kaliber 50, Reißverschlußteile, der Boden einer Signalpatrone sowie ein Teil der Signalpistole)(Foto: Dirk Sohl).

Ein Bekannter teilte mir im Jahr 2008 noch einige Informationen zu der von Hans Schüler geflogenen Maschine mit.
Das von ihm an diesem Tag geflogene Jagdflugzeug vom Typ Messeerschmitt Bf 109 G-6 mit der Werknummer 161 141 wurde nach seinen Unterlagen im Herbst 1943 in den Messerschmitt Werken in Regensburg gebaut und zwischen dem 10. und 15. Dezember 1943 dort auch eingeflogen. 
Die Maschine trug das Stammkennzeichen SU+NK. Nach der Überführung zum Jagdgeschwader 3 hat man diese Rumpfkennung dann überspritzt und eine sicherlich gelbe Zahl als Kennung für die 9. Staffel auf den Rumpf gemalt.

Versuch der Übersetzung des Luftkampfberichts von Mj. L. Hayes:
"Luftkampf , 2.
März 1944, 354. Fighter Squadron, 357. Fighter Group, 12.40 Uhr, nördlich von Frankfurt, 7/10 Bewölkung, Luftsieg über eine Me 109, die zerstört wurde.
Ich führte Gowdy, den roten Schwarm und erkannte einen Pulk B-24 auf dem Heimweg, etwas nördlich von Frankfurt. Ich kreutzte über den Bombern in 25.500 ft, als ich beim Blick zurück zwei feindliche Maschinen erkannte, die gerade den hinteren Teil des Bomberpulks angegriffen haben müssen. Wir warfen unsere Kraftstoffzusatzbehälter ab und stürzten einige tausend ft. nach unten um uns die Feindmaschinen vorzunehmen. Diese befanden sich in einem Kurvenflug und hatten uns wahrscheinlich noch nicht gesehen. In einer Höhe von 18.000 ft. und mehreren tausend ft. vor uns flogen sie gemeinsam abwärts. Sie waren noch nicht in Schussentfernung, als sie sich in 9.000 ft. Höhe trennten. Ich und mein Flügelmann nahmen uns den Anführer vor, der im Sturzflug zu entkommen versuchte. Mein 2. Schwarm unter Führung von Lt. Carder drehte und kehrte zu uns zurück. Beide Feindmaschinen waren Me 109. Deren Führer flog flach nach unten und ich begann aus 350 ft. tzu schießen, bei einer Geschwindigkeit von etwa 450 mph, dabei konnte ich einige, wenige Treffer beobachten.In etwa 1000 ft. Höhe feuerte ich aus dem toten Winkel und brachte seinen Motor zum rauchen. Ich glaube ich war zu diesem Zeitpunkt über Altenstadt. Plötzlich kippte die Me 109 steil ab und stürzte in einen Wald, etwa 1 Meile von dem oben genannten Ort entfernt. Der Flugzeugführer stürzte zusammen mit seiner Maschine ab, sodass ich davon ausging, ihm bei Angriff von hinten durch die Panzerplatte hindurch getroffen habe. Die Me 109 machten keinen Angriffsversuch. Sie versuchten gemeinsam zu entkommen, aber wir konnten sie einfach abschießen. Ich selbst sah den Absturz nicht, als ich wieder stieg und zurückschaute, sah ich schwarzen Rauch aus den Bäumen aufsteigen. Lt. Humphrey, der mich beim Angriff abdeckte, sah die Me 109 abstürzen und explodieren. Wir formierten uns wieder und nahmen noch eine Maschine der der 363. Squadron ind 5000 ft. Höhe auf um gemeinsam die Bomber zu begleiten. Ich beanspruche eine Me 109 und einen Luftwaffenpilot zerstört zu haben, wozu ich etwa 175 Schuss benötigte.
Thomas L. Hayes Jr.,
Major,
Air Corps, Pilot.

Absturz eines deutschen Jagdflugzeugs


  Ort:                                  Leidenhofen, Gemarkung „Kalter Stall”

Datum:                               02. März 1944

Uhrzeit:                              ca. 12.40 Uhr

Flugzeugtyp:                       Messerschmitt Bf 109 G-6/R6

Werknummer:                    161 141

Kennung:                           „Gelbe ?” 

Hersteller:                          Messerschmittwerke in Regensburg

Stammkennzeichen:            SU+NK

Einflugzeitraum:                 10. bis 15. Dezember 1943

Motor:                                1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder
                                          hängender V-Motor Daimler Benz DB 605

Einheit:                               9. Staffel / Jagdgeschwader 3 „Udet”

Feldpostnnummer:                37557 LGPA
 München

Startflughafen:                    Leipheim bei Ulm

Flugzeugführer:                   Unteroffizier Hans Schüler

Geburtsdatum:                    19. September 1920

Geburtsort:                         Wuppertal-Barmen

Verbleib:                            Gefallen

Grablage:                           Ehrenfriedhof Wuppertal-Oberbarmen-Feld D-Grab 24,
                                            Beigesetzt am 13.03.44.

Absturzursache:              Luftkampf mit amerik. Jagdflugzeugen 
                                          vom Typ P-51 „Mustang”


 
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