Donnerstag auf Freitag, 30. auf 31. März 1944
„Die Nacht, in der die Bomber starben” nannte Martin Middlebrook sein Buch über den Angriff der Royal Air Force auf Nürnberg in der Nacht vom 30. auf den 31. März 1944.
Ein anderer britischer Autor, Geoff Tylor, wählte den Titel: „The Nuremberg Massacre”.
Es war die Nacht der wohl dramatischsten Luftkämpfe im 2. Weltkrieg. Ein Luftangriff, der von Air Marshal Arthur Harris, dem kommandierenden General des Bomber Commands, als Musterangriff geplant war, wurde zum verlustreichsten Einsatz der R.A.F.
Völlig unüblich für die Briten, wurde dieser Einsatz bei Mondschein geflogen, und fast die gesamte Flugroute der Angreifer führte über Gebiete, die von den Nachtjägern der Deutschen gut erreichbar waren. Bevor die Bomber überhaupt über Nürnberg ankamen, waren schon etwa achtzig von ihnen abgeschossen worden.
Der Feuerschein der Aufschlagbrände zeigte den folgenden Maschinen den Weg, aber auch das, was ihnen noch bevorstehen konnte. Durch weitere äußere Einwirkungen, wie starken Wind und Wolken über dem Zielgebiet, wurden die Angriffsformationen immer mehr auseinandergerissen.Der Bombenwurf war so ungenau, daß nicht einmal die Deutschen erkennen konnten, welches Ziel die Bomber hatten. Selbst die Stadt Schweinfurt, 100 km nordwestlich von Nürnberg, wurde von Bomben getroffen. Das eigentliche Angriffsziel aber wurde nur gering beschädigt.
Nach England kehrten 95 der 795 gestarteten Maschinen nicht zurück, weitere 9 verunglückten über der britischen Insel. Auch befanden sich noch tote und verletzte Besatzungsmitglieder in den zurückgekehrten Maschinen.
Die höchsten Verluste hatte die 101. Squadron der R.A.F., die 6 ihrer 26 gestarteten viermotorigen Lancaster verlor. Die 51. Squadron verlor 5 Halifax und die 158. und die 514. Squadron je vier ihrer Viermots.
Die Gesamtverlustquote beläuft sich auf etwa 14% der eingesetzten Flugzeuge.
Etwa 730 Mann fliegendes Personal kam ums Leben, geriet in Kriegsgefangenschaft oder war durch Verwundung nicht mehr einsatzfähig. Das britische Bomber Command mußte in dieser Nacht seine größte Niederlage hinnehmen.
Für die deutsche zweimotorige Nachtjagd war es dagegen der größte Erfolg im zweiten Weltkrieg.
3 englische Bomber stürzten im Gebiet des heutigen Landkreises Marburg/Biedenkopf ab, bei Quotshausen, Erksdorf und Stadtallendorf waren weithin die Aufschlagbrände von viermotorigen Kampfflugzeugen zu sehen. Direkt hinter der Kreisgrenze zum Vogelsbergkreis stürzte bei Kirtorf-Wahlen eine weitere Maschine ab. Auch das Schicksal eines deutschen Nachtjägers wurde auf dem Gebiet unseres Landkreises in dieser Nacht besiegelt, als er mit seiner einmotorigen Messerschmitt Bf 109 zwischen Mengsberg und Lischeid abstürzte.
Erksdorf, Freitag, 31. März 1944
Es war ziemlich genau 00.15 Uhr, als ein ohrenbetäubender Knall die Bewohner von Erksdorf und den in der Nähe liegenden Ortschaften aus dem Schlaf schreckte. Erksdorf hatte Glück!
Die Druckwelle einer Explosion ging zum größten Teil über das Dorf hinweg. Nur die Kirchenfenster an der Ost- und Südseite, also in der Richtung aus der die Druckwelle kam, gingen zu Bruch. Das Scheunendach des Hofes Pausch in der Hans-Ludwig-Straße 14 war an der Ostseite schwer beschädigt. Im gesamten Dorf waren die Verdunkelungen vor den Fenstern zerstört, da die Fenster aufgedrückt wurden.
Selbst in den Nachbarorten Emsdorf und Burgholz war der Druckwelle noch zu spüren.Dem Lärm und der enormen Druckwelle voraus ging ein Angriff eines deutschen Nachtjägers auf einen englischen Bomber.
Um 22.04 Uhr war die Besatzung, der in Chadderton bei der Firma Alliott Verdon-Roe gebauten Avro Lancaster B.III, mit der Werknummer JB356, in Downham Market, Norfolk, England, gestartet.
Der 20jährige Pilot, Flight Lieutenant Charles Anthony Lyon aus Whitley Bridge in Yorkshire, flog mit seiner Crew seinen 16. Einsatz.
Seine Einheit, die 635. Squadron der R.A.F., wurde erst am 20. März 1944 aus anderen Einheiten als Zielfinder aufgestellt. Nicht einmal elf Tage später sollte sich das Schicksal dieser Besatzung erfüllen.
Der in Parchim, südöstlich von Schwerin, mit seiner Besatzung in einer Messerschmitt Bf 110 G-4 gestartete Oberleutnant Helmuth Schulte von der 4. Staffel des Nachtjagdgeschwader 5 (4./NJG 5) wurde vom Boden aus über Funk an den Bomberstrom herangeführt. Er entdeckte einen viermotorigen Lancaster-Bomber in einer Höhe von etwa 6000 Metern, setzte sich unter die Feindmaschine und wollte seine zwei, schräg nach oben schießenden Maschinengewehre MG 151/20 vom Kaliber 20 mm abfeuern.
Aber die „Schräge Musik”, wie man die hinter der Kabine im Winkel von 72 Grad schräg nach oben schießenden 2-cm-Maschinengewehre nannte, hatte Ladehemmung. Er mußte den Angriff wiederholen, setzte sich erneut unter die Maschine und diesmal funktionierte seine Waffenanlage.
Sofort ging der Bomber in Flammen auf und fiel wie ein Stein zu Boden.
Die englische Besatzung bemerkte den Angriff vermutlich erst, als es schon zu spät war.
Der am 23.02.1915 in Gießen geborene Helmuth Schulte schrieb nach dem Krieg, daß er am Aufschlag erkannte, daß er einen sogenannten „Zeremonienmeister”, ein Markierungsflugzeug einer Pfadfindereinheit, abgeschossen hatte: „Das Feuerwerk auf dem Boden brannte in roten, grünen und weißen Farben.”
Insgesamt gelangen dem Flugzeugführer in dieser Nacht mit der Besatzung Bordfunker Unteroffizier Sandvoß und Bordmechaniker Unteroffizier Fischer vier Luftsiege.
Bis zum Kriegsende erreichte Helmuth Schulte 25 Luftsiege und wurde noch am 17.04.1945 mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuz ausgezeichnet.
Die Maschinen der Pfadfindereinheiten sollten das Angriffsziel markieren, um den nachfolgenden Einheiten das Zielfinden zu erleichtern. Die Leuchtbomben dieses Bombers markierten ungewollt eine Stelle, die nur etwa 1,5 km südostwärts von Erksdorf im freien Feld, etwa 1 km von der damals zwischen Allendorf (heute Stadtallendorf) und Erksdorf gelegenen Stellung der schweren Flak entfernt lag.
(Die Besatzung der Lancaster, welche bei Erksdorf den Tod fand.)(Fotomontage: Christine Darkin)
Von der siebenköpfigen Besatzung der Lancaster gelang es keinem mehr die Maschine zu verlassen.Der Einschlagtrichter hatte einen Durchmesser von etwa 15 Metern und war etwa 5 Meter tief.
Am nächsten Tag wurden die verstümmelten Leichen von zwei Besatzungsmitgliedern gefunden. Sie waren von der Aufschlagstelle aus in nordwestliche Richtung bis zu etwa 170 Meter in Richtung Erksdorf geschleudert worden. Einer der beiden hatte eine Armbanduhr an, die genau um 00.20 Uhr stehen geblieben war. Diese Uhr soll ein junger Mann aus Speckswinkel an sich genommen haben.
Von den verbliebenen fünf anderen Männern des Bombers wurden nur noch einzelne Körperteile entdeckt. Es wurde von dem zuständigen Gendarmen, Meister der Gendarmerie Schomber, damals angenommen, daß die Überreste der verbliebenen Flieger in den Erdmassen im Bombentrichter liegen würden.
Ein Zeitzeuge, Herr Heinrich Henkel aus Erksdorf, teilte mir mit, daß der Aufschlagtrichter aber sauber ausgeräumt war und die Teile des Bombers alle weit verstreut und in kleinste Teile zerrissen auf den Feldern in Richtung Erksdorf lagen.
Ein weiterer Zeitzeuge dieses Geschehens, der ehemalige Flakhelfer bei der I. Batterie der Flakabteiling 112 bei Erksdorf, Hilmar Eisenhuth aus Kassel, berichtet in seinen Aufzeichnungen:
"Die Nacht in Erksdorf vom 30. zum 31. März 1944"
"Wir lagen in unseren Kojen und hörten von Ferne die Motorengeräusche von Bombern, jedoch keine Feuerbereitschaft unserer Batterie. Plötzlich begann ein jaulender Ton, immer lauter werdend, so, als ob jeden Moment Bomben zwischen uns explodieren würden. Plötzlich ein unheimlicher Einschlag in der Nähe. Die Fensterläden flogen auf, der UvD stürzte herein: "Feuerbereitschaft, dalli!" Im Dunkeln sprangen wir auf, schnell in die Klamotten, Helm auf, Gasmaske um. Ich hatte mich bei dem pfeifenden Geräusch nebem mein Bett gerollt und mein einziger Gedanke war: Ob wohl durch das Bett die Splitter gehen?
Dann schaltete jemand das Licht an. Es war ein göttlicher Anblick: Robert Wagner konnte während des Einschlags seinen Stahlhelm auf dem Spind nicht mehr erreichen, wollte aber seinen Kopf schützen und steckte diesen in den Spind. So ernst die Situation war, das Gelächter blieb nicht aus. Im Dauerlauf sausten wir an unsere Posten, doch schießen durften wir nicht, denn die Nachtjäger waren bei den Bombern.
Die spätere Beschreibung der Vorgänge: es war eine mondhelle Nacht, ohne Bewölkung, die Bomber waren durch ihre Kondensstreifen gut zu erkennen. Dazu kam, dass die über den Bombern fliegenden Ju 88 Leuchtbomben an Fallschirmen abwarfen und so die Szene zusätzlich erhellten. Oberleutnant Schulte vom II./NJG 5 flog von unten die Lancaster über uns an mit der Taktik "Schräge Musik" und feuerte, ohne gesehen zu werden auf die Maschine. 800 m von uns entfernt schlug diese auf und explodierte in roten, grünen und weißen Farben. Es war eine "Zeremonienmeister", die außer Bomben eine große Leuchtkörperladung an Bord hatte.
Am nächsten Morgen führte uns ein Unteroffizier zur Aufschlagstelle. Niemand hatte überlebt, nur Fetzen von Material und Menschen waren zu sehen. In einer Uniformbluse steckte ein Brief, der noch leserlich war. Danach war es ein Kanadier, der in England stationiert war und kürzlich erst vom Urlaub zurückgekehrt war. Der Angriff der Engländer war auf Nürnberg geplant, sie verloren in dieser Nacht über 100 Maschinen und 545 Mann. Wir Jungen wurden zum ersten Mal mit den Schrecken des Krieges konfrontiert."
Die Aufräumarbeiten wurden größtenteils von den serbischen Zwangsarbeitern durchgeführt, von denen bis zu 90 Mann vorwiegend in der Landwirtschaft in Erksdorf eingesetzt waren. Meist stand diesen dafür nur ein Lastkraftwagen zur Verfügung. Nach dem Abschluß der Aufräumarbeiten wurde der Trichter wieder verfüllt. Heute erkennt man nur noch eine kleine Mulde an der Stelle, wo sieben britische Flieger ihr Leben lassen mußten.
Die zwei identifizierten Toten wurden jeweils in einem Einzelgrab auf dem Erksdorfer Friedhof bestattet, die sterblichen Überreste der anderen Besatzungsmitglieder wurden zusammen in einem dritten Grab beigesetzt.
(Dieses Foto zeigt die Besatzungen der 635. Squadron vor einer Avro Lancaster.)(Foto: Christine Darkin)
Heute befinden sich die Gräber auf dem englischen Friedhof in Hannover-Ahlem.
Der Bordmechaniker, Sergeant Leonard Arthur Chappell, und der Heckschütze, Pilot Officer John Leslie Atkinson, ruhen in den Gräbern 4.G.1 und 4 G.2.
(Leonard A. Chappell und Ehefrau bei der Taufe ihrer Tochter Christine im Jahre 1943.)(Foto: Christine Darkin)
Es handelt sich hierbei um die beiden einzigen Besatzungsmitglieder, die noch identifiziert werden konnten. Neben den Beiden ruhen in einem Gemeinschaftsgrab die wenigen aufgefundenen sterblichen Überreste des Piloten, des Navigators, Flight Sergeant (F/S) Raymond Lawley aus Shelfield in Staffordshire, des Bombenschützen, F/S Henry George Howes aus Highbury, London, des Bordfunkers, Sergeant (Sgt.) John Charles Guthrie aus Whickham, Durham und des Mittelturmschützen, F/S Vincent Earle Aspin aus Burnley, Lancashire in den Gräbern 4.G.3- 4.G.5.
Der Absturz dieser Maschine hatte noch nach zwei Jahren, im September 1946, der Krieg war längst vorüber, ein Nachspiel für einige Bürger aus Erksdorf.
Der ehemalige kriegsgefangene Serbe, Samuilo Smiljanic, der zum Zeitpunkt des Absturzes in der Nähe des Hofes von Landwirt Heinrich Hohl in Erksdorf, als Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft, eingesetzt war, beschuldigte den Landwirt vor der amerikanischen Besatzungsbehörde, einen überlebenden Flieger ermordet zu haben.
Es kam zu einer größeren Anhörung.
Samuilo Smiljanic gab an, nach dem Absturz an den Unglücksort gelaufen zu sein und zwei tote und einen verwundeten Flieger gesehen zu haben.
Der Fallschirm des Verwundeten sei nur halb geöffnet gewesen, und die Beine wären bis in den Bauch hinein gestaucht. Immer wieder hätte der Mann um Hilfe gerufen. Von 1.00 Uhr bis 4.30 Uhr habe sich niemand um ihn gekümmert, außer einem Oberleutnant der Flak, der ihm Armbanduhr, Taschenuhr, Papiere und Ring abgenommen habe. Um 6.30 Uhr wären dann Heinrich Hohl, Samuilo Smiljanic und zwei weitere namentlich nicht genannte jugoslawische Kriegsgefangene bei dem Verwundeten vorbeigekommen.
Noch immer habe er um Hilfe gerufen, aber Hohl hätte ihn mit: „Du Schweinehund lebst noch” beschimpft und so lange mit der Mistgabel geschlagen, bis von ihm kein Wort mehr zu hören war.
Die durch diese Aussage hervorgerufenen Nachforschungen der Militärbehörde brachten viel Unruhe ins Dorf. Zu einem Verfahren gegen Heinrich Hohl kam es aber nicht.
Der britische Untersuchungsbericht, der neben den Aussagen von Heinrich Hohl und Samuilo Smiljanic auch Zeugenaussagen des damaligen Stellmachers Justus Damm, des damaligen Bürgermeisters Heinrich Immel und des ehemaligen Flakkanoniers Heinz Schulz beinhalteten, bescheinigt dem Serben eine „hohe kriminelle Energie” und meint abschließend, daß er diese Lügen nur erfunden habe, um Heinrich Hohl, der ab 01. August 1945 Bürgermeister in Erksdorf, war aus dem Weg zu räumen, da dieser die Schwarzmarktgeschäfte von Smiljanic verhindern wollte. (Public Record Office, London)
Auch wurde mir von Herrn Henkel bestätigt, daß die Zwangsarbeiter in Erksdorf, wie in den anderen Ortschaften auch, über Nacht eingeschlossen und bewacht wurden. In Erksdorf war es der Saal der ehemaligen Gaststätte Henkel, der den Zwangsarbeitern als Übernachtungsraum diente. Herr Smiljanic hätte also gar nicht die Möglichkeit gehabt schon in der Nacht an der Absturzstelle zu sein. Die ganz in der Nähe liegende Flakabteilung hatte auch sofort die Absicherung übernommen und keinen Unbefugten mehr in die Nähe gelassen.
Im Jahr 1997 gelang es mir, über den Traditionsverband der 635. Squadron und Herrn William „Bill” Stevenson, Kontakt mit der Tochter des Bordmechanikers der JB356 aufzunehmen. Als man im Jahr 2000 in Stadtallendorf eine Besuchergruppe aus der Partnerstadt St. Ives begrüßen konnte, waren auch Christine Darkin, die Tochter von Leonard Chappell, mit ihrem Ehemann und ein englischer Pressemitarbeiter angereist.
(Die Tochter des gefallenen Bordmechanikers im April 2000 mit Blumenstrauß an der Absturzstelle.) (Foto: Dirk Sohl)
Wir trafen uns morgens im Foyer des Verwaltungsgebäudes und fuhren dann gemeinsam zur Absturzstelle, wo wir Herrn Ortsvorsteher Herbert Balzer mit seinem Sohn und einen Zeitzeugen des damaligen Geschehens, Herrn Heinrich Henkel antrafen.
Nach einer kurzen Besichtigung der Absturzstelle, an welcher ein Strauß Blumen und ein Foto niedergelegt wurden, fuhren wir gemeinsam noch zum Friedhof in Erksdorf und besichtigten den Ort, an dem die Gefallenen zuerst beigesetzt waren.
Zum Abschluß waren wir noch in der Gaststätte „Zum Bärenschießen” in Stadtallendorf.
Es wurde von den Angehörigen der Opfer geplant, auf dem Friedhof, an der Erstbegräbnisstätte, einen Baum zu pflanzen, um die Erinnerung an dieses fürchterliche Geschehen zu bewahren. Im Friedhofsauschuß von Erksdorf wurde dies besprochen und genehmigt.
Leider brachen die Engländer im August 2001 den Kontakt ab und dieses Vorhaben konnte bis heute nicht verwirklicht werden.
Während des Festwoche zum 750jährigen Bestehen von Erksdorf, im August 2002, im Rahmen des Grenzgangs, wurde des Unglücks gedacht. Herr Henkel hielt unweit der Absturzstelle, an der der Grenzgang vorbeiführte eine mehrminütige Ansprache.
Am 8. April 2013 kamen wieder Gäste aus England nach Erksdorf. Die Tochter des Heckschützen, Susan Atkinson mit Tochter und Schwiegersohn besuchten während eines Deutschlandaufenthalts auch die Absturzstelle bei Erksdorf und den Friedhof.
Am Friedhof wurden die Gäste von Uli Dörr und Heinrich Henkel begrüßt und nach einem Besuch an der Erstgrabstätte auf dem Friedhof und an der Absturzstelle fuhr die Familie weiter um auch das Gräber auf dem englischen Friedhof in Hannover zu besuchen.
Frau Atkinson und Tochter vor der ersten Grabstelle in Erksdorf
Memorial Stick von Frau Atkinson
Uli Dörr und Frau Atinson an der Absturtzstelle 600m von Erksdorf, heute steht dort
ein Windpark. Foto: Tim Robert und Uli Dörr 08.April 2013
Absturz eines viermotorigen britischen Bombers
Ort: Erksdorf, ca. 1000 Meter südwestlich vom Dorf in der Gemarkung Gerbegraben
Datum: 31. März 1944
Uhrzeit: ca. 00.15 Uhr
Flugzeugtyp: Avro Lancaster B.III
Werknummer: JB356
Hersteller: Sir Alliott Verdon Roe & Co Ltd.
in Newton Health, Manchester
Auslieferungszeit: Juni - Dezember 1943
Motoren: 4 wassergekühlte 12 Zylinder Rolls-Royce Merlin
Einheit: No. 635. Squadron in der No. 8 Group
Kennung: F 2 (Kokarde) X
Heimatflughafen: Downham Market
Startzeit: 22.04 Uhr
Angriffsziel: Nürnberg
Absturzursache: Nachtjägerbeschuß
Besatzung:
Pilot: F/L C. A. Lyon (RAF) Gefallen
Bordmechaniker: Sgt. L. A. Chappell (RAF) Gefallen
Navigator: F/S R. Lawley (RAF) Gefallen
Bombenschütze: F/S H. G. Howes (RAF) Gefallen
Bordfunker: Sgt. J. C. Guthrie (RAF) Gefallen
Mittelturmschütze: F/S V. E. Aspin (RAF) Gefallen
Heckschütze: P/O J. L. Atkinson (RAF) Gefallen
Quotshausen, Freitag, 31. März 1944
Gegen 00.30 Uhr schlug etwa 50 Meter nordostwärts des Forsthauses am Dieter Berg eine viermotorige Avro Lancaster der 49. Squadron der Royal Air Force auf, nachdem sie von einem deutschen Nachtjäger beschossen worden war.
Um 22.10 Uhr war die siebenköpfige Besatzung um den 25jährigen Piloten, Pilot Officer Leslie George Kellow, geboren in Victoria, British Columbia, Kanada, zu ihrem ersten Feindflug gestartet.
Der Start in Fiskerton, Lincolnshire, und die ersten Flugstunden verliefen ruhig, dann aber, über dem Dillgebiet, kam der Angriff des deutschen Nachtjägers so unverhofft, daß nur noch drei Mann mit dem Fallschirm aus der schwer getroffenen Maschine aussteigen konnten.
(Pilot Officer Leslie George Kellow)(Foto: Internet)
Neben dem Piloten starben auch der Bombenschütze, Sgt. Terence Charles Baker, 22 Jahre, aus Brentford, Middlesex in England, der Bordmechaniker, Sgt. Sydney Gordon Silver, der Bordfunker, Sgt. Leonard Ernest Walford, und der 19jährige Heckschütze, P/O Jim Latham aus Windsor, Ontario in Kanada im Wald am Dieter Berg.
Einer dieser fünf Männer wurde erst Wochen später mit dem Fallschirm in einem Baum hängend tot aufgefunden.Bei dem so viel später aufgefundenen Besatzungsmitglied handelte es sich wahrscheinlich um den Heckschützen der Maschine, den einzigen Angehörigen der Royal Canadian Air Force (R.C.A.F.), da es in den ersten Berichten hieß, daß er überhaupt nicht aufgefunden worden sei.
Noch zwei Männer der Besatzung schafften es, mit den Fallschirmen aus der Maschine herauszukommen:
der 21jährige Navigator, Sgt. David Rowcliffe aus Low Hill, Wolverhampton, England und Sgt. A. J. McAvoy, der Mittelturmschütze.
Sgt. McAvoy hatte schwerste Verbrennungen in Gesicht und an den Füßen. Er schrieb später:
„Ich konnte nichts mehr sehen und ertastete mein Gesicht und meinen Kopf, an dem ich eine dicke Kruste bemerkte. Ich kroch blind im Schnee herum und stieß dabei immer wieder an Baumstämme, bevor ich etwa zwei Stunden später von Zivilisten gefunden und in ein Dorf gebracht worden bin.
Sie sperrten mich in einen kalten Keller, und ich hatte das Gefühl, daß sie mich zum Sterben dort allein gelassen hatten, da sich niemand um mich kümmerte.”(„The Nuremberg Raid”, Martin Middlebrook)
Fast 12 Stunden blieb er stark frierend und mit grauenhaften Schmerzen in diesem Kellerraum, bis er endlich herausgeholt und mit einem Fuhrwerk zu einem weiteren verwundeten Flieger gebracht wurde.
Es war der Navigator, Sgt. Rowcliffe, aus der eigenen Besatzung.
Dieser erkannte ihn nicht und nannte nacheinander die Namen der Besatzungsmitglieder.
Als McAvoy seinen Namen hörte, hob er den Arm. Beide Männer kamen nach Biedenkopf in ein Krankenhaus, in welchem ihnen gute ärztliche Behandlung zuteil wurde. Herr McAvoy erinnerte sich noch lange nach dem Krieg positiv an die Behandlungen und die Betreuung im Krankenhaus.
Doch der Navigator, David Rowcliffe, erlag bereits am 01. April 1944 seinen schweren Verwundungen, vermutlich durch eine Sepsis, und wurde zunächst auf dem Friedhof in Biedenkopf beigesetzt, bevor er auf den brit. Militärfriedhof nach Hannover umgebettet wurde. Es gibt noch immer einige Vermutungen, dass Sgt. Rowcliffe in Biedenkopf ums Leben gebracht wurde, aber warum sollte man es getan haben, wo doch Sgt. McAvoy im selben Krankenhaus bestesns versorgt wurde?
Sgt. McAvoy mußte sich aufgrund seiner Brandverletzungen dreißig chirurgischen Eingriffen unterziehen, konnte aber als einziger der Besatzung in seine Heimat zurückkehren, als er Ende Januar 1945 wegen seiner schweren Verwundungen bei einem Gefangenenaustausch nach England zurückgeschickt wurde. Am 06. Februar 1945 betrat er von Bord der Arundel Castle wieder englischen Boden.
Die Maschine mit der Kennung E A (Kokarde) Q, eine Avro Lancaster B.III mit der Werknummer JB314, die im Zeitraum Juni bis Dezember bei der Firma Alliot Verdon-Roe in Chadderton gebaut wurde, war komplett zerstört. Flugzeugteile, Bomben und Ausrüstungsteile wurden über ein großes Gebiet verstreut.
Ein Luftwaffenbergekommando sammelte die Trümmer und transportierte sie über die Verladerampe am Bahnhof in Niedereisenhausen ab.
Noch immer aber liegen viele kleinere Teile, hauptsächlich aus- bzw. abgebrannte Stabbbrandbomben, im Bereich der Aufschlagstelle.
Noch in den 80er- und 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden sogar noch scharfe Bomben dieser Maschine im Wald entdeckt und mußten vom Kampfmittelräumdienst Hessen entschärft und entsorgt werden.
Im Januar 2012 erhielten wir noch eine Email, in welcher uns mitgeteilt wurde, dass der deutsche Nachtjäger, welcher diese Lancaster abgeschossen hat, höchstwahrscheinlich der Feldwebel Ernst Reitmeyer von der 1./NJG 5 war, welcher seinen Luftsieg in dieser Nacht für 00.38 Uhr und der Ortsangabe "Eckelshausen" angegeben hatte und diesen auch anerkannt bekam. Der Informant ist uns bekannt, möchte aber namentlich nicht genannt werden.
Die gefallenen Besatzungsmitglieder ruhen heute nebeneinander in den Gräbern 5.H.7 bis 5.H.12 auf dem englischen Friedhof in Hannover-Ahlem.
(Die Grabsteine der gefallenen Besatzungsmitglieder in Hannover-Ahlem. Deutlich kann man das Wappen der R.C.A.F. (P/O Latham) von denen der R.A.F. unterscheiden.)(Fotos: Dirk Sohl)
Absturz eines viermotorigen britischen Bombers
Ort: Quotshausen, am Dieter Berg
Datum: 31. März 1944
Uhrzeit: ca. 00.30 Uhr
Flugzeugtyp: Avro Lancaster B.III
Werknummer: JB314
Hersteller: Sir Alliott Verdon Roe & Co Ltd. in Newton Health, Manchester
Auslieferungszeit: Juni - Dezember 1943
Motoren: 4 wassergekühlte 12 Zylinder Rolls-Royce Merlin
Einheit: No. 49. Squadron in der No. 5 Group
Kennung: E A (Kokarde) Q
Heimatflughafen: Fiskerton, Lincolnshire
Startzeit: 22.10 Uhr
Angriffsziel: Nürnberg
Absturzursache: Nachtjägerbeschuß
Besatzung:
Pilot: P/O L. G. Kellow (RAF) Gefallen
Bordmechaniker: Sgt. S. G. Silver (RAF) Gefallen
Navigator: Sgt. D. Rowcliffe (RAF) Gefallen
Bombenschütze: Sgt. T. C. Baker (RAF) Gefallen
Bordfunker: Sgt. L. E. Walford (RAF) Gefallen
Mittelturmschütze: Sgt. A. J. McAvoy (RAF) Gefangenschaft
Heckschütze: P/O J. Latham (RCAF) Gefallen
Stadtallendorf, Freitag, 31. März 1944
Unweit von der Wache 1 der ehemaligen Sprengstoffwerke der Dynamit Aktien Gesellschaft (D.A.G.) beim heutigen Stadtallendorf, damals noch Allendorf, stürzte um 00.34 Uhr der nächste Bomber in dieser Nacht im Landkreis Marburg/Biedenkopf ab.
In Breighton, Yorkshire, war die Handley Page Halifax B.III der 78. Squadron der Royal Air Force (R.A.F.) mit ihrer siebenköpfigen Besatzung um 22.23 Uhr gestartet.
(Der „Briefing Room” der R.A.F.-Station Breighton. Hier wurden die Besatzungen u. a. über Flugroute und Angriffsziel aufgeklärt.) (Foto: John W. Erricker)
Manche Menschen meinen, daß man sein Schicksal erahnen kann. Ob es so ist oder nicht, kann ich nicht sagen, aber der einzige Überlebende der Besatzung sagte später das aus, was er nach der Einsatzbesprechung gedacht hatte:
„Da saßen wir nun, 112 Mann, ein jeder von uns mit seinen eigenen privaten Gedanken. Aber vorrangig war bei uns allen das gleiche Denken. Wird unsere Besatzung eine der glücklichen sein, oder ist dies nun bald das Ende? Werde ich jemals meine Frau wiedersehen? So oder so ähnlich, aber alle Gedanken drehten sich nur darum: Werde ich überleben oder werde ich sterben?
Es war offensichtlich, daß wir alle das gleiche im Kopf hatten.
Normalerweise lenkten wir uns nach jeder Einsatzbesprechung mit lauter Unfug und lustigen Gesprächen ab, aber diesmal war alles anders. Wir blieben alle auf unseren Plätzen und schauten uns an. Kein Wort war zu hören. Wir waren wie elektrisiert von diesem klar verständlichen Einsatzbefehl.” („The Nuremberg Raid”, Martin Middlebrook)
Das Ziel für die Maschine hieß Nürnberg. Doch sie sollte mit ihrer Besatzung ihr Angriffsziel nicht erreichen.
Auf ihrem 27. Einsatz wurde sie das Opfer eines deutschen Nachtjägers.
Nach bisherigen Ermittlungen könnte es sich bei dem Bezwinger dieser Halifax um Lt. Hans Schäfer von der 7. Staffel des Nachtjagdgeschwaders 2 (7./NJG 2) gehandelt haben, der mit seiner Besatzung, Bordfunker Unteroffizier Heinz Manter und Bordschütze Ogfr. Karl Gliebmann, in einer Junkers Ju 88 C-6 in Langendiebach zu diesem Einsatz gestartet war.
Die Besatzung der Halifax mit der Seriennummer HX241 und der Kennung E Y (Kokarde) R hätte nur noch drei Einsätze fliegen müssen, und sie wäre aus dem Einsatz gezogen worden. Nach dreißig Einsätzen wurden die Besatzungsmitglieder aus dem Einsatz genommen, aber die wenigsten erreichten zu dieser Zeit diese Anzahl von Feindflügen.)
Der 26-jährige Pilot, Flight Lieutenant Harry McCormick Hudson aus Largo, Florida, flog die Maschine für die Royal Canadian Air Force (R.C.A.F.). Er konnte dem Geschoßhagel aus den Maschinengewehren des deutschen Nachtjägers nicht mehr ausweichen. Die Maschine wurde innerhalb weniger Sekunden von vorne bis hinten zersiebt.
Mit dem Piloten fielen fünf weitere Besatzungsmitglieder dem Angriff zu Opfer. Einzig der Mittelturmschütze, Flight Sergeant (F/S) L. Nugent überlebte.
Hier der Bericht des einzigen Überlebenden dieser Besatzung nach dem Angriff durch den Nachtjäger:
„Mir war klar, daß die Maschine verloren und der Rest der Besatzung mit größter Wahrscheinlichkeit schon tot war.Ich saß auf den Knien und wurde ohne Sauerstoff schwächer und schwächer.Dann versuchte ich zum Notausstieg zu kommen, der sich auf halben Weg zwischen meinem eigenen und dem Heckstand befand.Das nächste, an was ich mich wieder erinnern konnte, war, daß ich fest gegen den Heckstand anschlug.
Ich hatte keinerlei Kontrolle mehr über meine Bewegungen, doch irgendwie fühlte ich plötzlich den Griff der Notausstiegsluke.Eine kurze Drehung und ich war draußen und drehte mich wie ein Kreisel in der Luft.Ich brauchte gar nicht herauszuspringen, da mich der Luftzug wie ein urweltlicher Staubsauger ein Staubkorn aus der Maschine zog.”
F/S Leslie Nugent kam unverletzt am Boden an und wurde schon nach kurzer Zeit in Allendorf gefangen genommen; da aber die Absturzstelle der Lancaster bei Erksdorf nicht weit entfernt war und auch bei Wahlen ein Bomber abgestürzt war, konnte in dieser Nacht von den deutschen Behörden noch nicht geklärt werden, zu welcher Besatzung er gehörte.
In den Trümmern aber starben neben dem Piloten der mit dem Distinguished Flying Cross (DFC) hochausgezeichnete Navigator Flight Lieutenant (F/L) Alan George Taylor, 26 Jahre, aus Beckenham, Kent, der dreiundzwanzigjährige Bombenschütze Flying Officer (F/O) William Uyen, ein Kanadier aus London, Ontario, der Bordfunker Sergeant Harold Monks, 23 Jahre, aus Hyde, Chesire in England, der 26jährige Bordmechaniker Sgt. John Hillis aus Inver in Nordirland und der Heckschütze, Sgt. John William Morris.
Diese Sechs ruhen heute nebeneinander in den Gräbern 4.F.13 bis 4.F.18 auf dem englischen Friedhof in Hannover-Ahlem.
(Flying Officer William Uyen)(Foto: Internet)
Zu Flying Officer Uyen darf hier noch angemerkt werden, dass er sich auf seinem 13. Einsatzflug befand. Bereits in der Nacht vom 15. auf 16. Februar 1944 bei einem Angriff auf Berlin kam die Maschine in der sich F/O Uyen befand nicht auf ihren Heimatflugplatz zurück. Die Maschine stürzte kurz vor der englischen Küste ins Wasser und alle Besatzungsmitglieder dieser Lancaster, mit Ausnahme von William Uyen, kamen dabei ums Leben.
Nun aber zurück zum Geschehen bei Stadtallendorf:
Der größte Teil des Flugzeugs stürzte mit voller Bombenladung auf das Werksgelände der Fabrik für chemische Verwertung an der heutigen Rheinstraße. Das in der Luft abgebrochene Heckteil stürzte auf das Gelände des heutigen Freibades.
Da es sich bei den damalige Fabriken bei Allendorf um Sprengstoffwerke handelte, kann man sich sicherlich gut vorstellen, was durch den Absturz dieses Bombers alles hätte geschehen können. Etwa um 1980 hatte Helmut Heck aus Niederwalgern Kontakt mit dem Sohn des gefallenen Bordfunkers aufgenommen.
Nach mehrmonatigen Briefwechsel plante Herr Monks, ein Denkmal zur Erinnerung an seine gefallenen Kameraden an der Absturzstelle zu erreichten. Leider brach brach die Verbindung zwischen Herrn Monks und Herrn Heck dann ab, und dan den Absturz der Halifax bei Stadtallendorf erinnert heute nicht mehr viel. Nur in einem Museum in Ebsdorf befindet sich noch eines der Browning-Maschinengewehre dieses Bombers, das an der Aufschlagstelle im Wald noch in den 1990er-Jahren gefunden wurde.
(Diese Gedenkinschrift an F/O Uyen befindet sich auf dem Grabstein seines Vaters auf dem St. Peters Friedhof in London/Ontario)(Foto: Internet)
Auf dem Flakturm der Wache 2 der DAG (Dynamit Aktien Gesellschaft) tat an diesem Abend Heinrich Reich aus Leidenhofen seinen Dienst.
Er berichtete mir, dass die Auszubildenden alle vier Wochen für eine Woche ihren Dienst auf dem mit einer 2cm Flak 30 bestückten Turm zu machen hatten.
In dieser Nacht konnte er zunächst die Leuchtspurgeschosse aus den Waffen des deutschen Nachtjägers beobachten, hörte das Bellen der Kanonen und sah dann den brennenden Bomber kreisen, bevor er in der Luft auseinanderplatzte und das Hauptteil in das Gelände in der Nähe der Wache 1 stürzte. Seiner Meinung nach war es eine Tragfläche, die auf das Gelände des Schwimmbades stürzte. Als es durch die Luftkämpfe immer gefährlicher wurde, verließen die Jungen die Flakstellung auf dem Turm und begaben sich in den unteren Bereich des Flakturms, wo auch ihre Schlaf- und Wohnstätten waren. Am nächsten Tag begab sich Heinrich Reich an die Absturzstelle. Noch heute kann er sich daran erinnern, sechs verbrannte und verkohlte Leichen im Wrack des Bombers gesehen zu haben.
Absturz eines viermotorigen britischen Bombers
Ort: Stadtallendorf, westlich der ehemaligen Wache 1 der D.A.G.
Datum: 31. März 1944
Uhrzeit: ca. 00.34 Uhr
Flugzeugtyp: Handley Page Halifax B./GR.III
Werknummer: HX241
Hersteller: Handley Page Ltd. in Cricklewood, England
Auslieferungszeit: 07.09.43 - 03.11.43
Motoren: 4 luftgekühlte 14-Zylinder Bristol Hercules XVI Doppelsternmotoren
Einheit: No. 78. Squadron in der No. 4 Group
Kennung: E Y (Kokarde) R
Heimatflughafen: Breighton, Yorkshire
Startzeit: 22.23 Uhr
Angriffsziel: Nürnberg
Absturzursache: Nachtjägerbeschuß
Besatzung:
Pilot: F/L H. McC. Hudson (RCAF) Gefallen
Bordmechaniker: Sgt. J. Hillis (RAF) Gefallen
Navigator: F/L A.G. Taylor, DFC (RAF) Gefallen
Bombenschütze: F/O W. Uyen (RCAF) Gefallen
Bordfunker: Sgt. H. Monks (RAF) Gefallen
Mittelturmschütze: F/S L. Nugent (RAF) Gefangenschaft
Heckschütze: Sgt. J. W. Morris (RAF) Gefallen
Wahlen, Freitag, 31. März 1944
Nicht auf das Gebiet des Landkreises Marburg/Biedenkopf, aber nur wenige 100 Meter hinter der Kreisgrenze zum Vogelsbergkreis, stürzte um 00.45 Uhr bei Wahlen ein weiterer britischer Bomber ab.
Auch hier kam ein Großteil der Besatzung ums Leben.
In Snaith, Yorkshire, startete am Abend des 30. März 1944 um 22.14 Uhr die Besatzung der viermotorigen Handley Page Halifax B/A.III mit der Kennung LW544 zu ihrem ersten Feindflug.
An Bord der Maschine befanden sich fünf Australier und zwei Engländer.
Am Steuer der Maschine saß Flight Sergeant Geoffrey Graham Brougham aus Marouba, New South Wales, Australien. Mit ihm befanden sich im vorderen Teil der Maschine der Navigator, Flying Officer Harold Bowling aus Whitby in England, der Bombenschütze, Flight Sergeant J. H. Gowland, der Bordfunker, Flight Sergeant Kenneth McDonald Radley aus Dunkeld, Victoria, Australien und der Bordmechaniker, Sergeant H. Williams.Als Mittelturmschütze war Flight Sergeant Lloyd Francis Peel aus Laurel Hill, New South Wales, Australien, an Bord, und der Heckschütze war Flight Sergeant Arthur Henry Williams aus Pingelly, im australischen Bundesstaat Western Australia gelegen.
(Der Navigator F/O Harold Bowling (rechts) läßt sich von Squadron Leader P. Jousse (links), vor seinem 1. Einsatz bei den Vorbereitungen der Navigationskarten helfen.) (Foto: Melvin Brown)
Die Besatzung der 51. Bomb-Squadron in der 4. Bomb-Group entschied sich vermutlich zu spät dazu, die überraschend von einem deutschen Nachtjäger angegriffene Maschine zu verlassen, obwohl dieser Angriff nicht von schräg unten, mit der „Schrägen Musik”, sondern auf konventionelle Art von hinten durchgeführt wurde.
(Drei Besatzungsmitglieder der LW544. F/S Brougham, F/S Peel und F/S A. Williams (von oben).)(Fotos: Royal Australian Air Force)
Die Besatzung der 51. Bomb-Squadron in der 4. Bomb-Group entschied sich vermutlich zu spät dazu, die überraschend von einem deutschen Nachtjäger angegriffene Maschine zu verlassen, obwohl dieser Angriff nicht von schräg unten, mit der "Schrägen Musik", sondern auf konventionelle Art von hinten durchgeführt wurde,
Der Flugzeugführer in der deutschen Nachtjagdmaschine war höchstwahrscheinlich der am 12.04.1916 in Wiesbaden geborene Oberleutnant Martin Becker von der I. Gruppe des Nachtjagdgeschwaders 6.Er flog schon seit 1941 in der Nachtjagd und hatte große Erfolge.
Am Abend des 30. März war er mit seiner Besatzung in einer Messerschmitt Bf 110 in Mainz-Finthen gestartet und zum Funkfeuer Ida beordert worden.Schon auf dem Flug zu diesem Punkt in der Nähe von Frankfurt am Main fand er den Bomberstrom und begann sofort mit seinen Angriffen. Innerhalb einer halben Stunde, zwischen 00.20 Uhr und 00.50 Uhr, gelang es ihm, 6 britische Bomber abzuschießen.Danach mußte er zum Auftanken und Nachmunitionieren in Mainz-Finthen landen. Aber er startete nochmals zum Einsatz, und auch bei seinem zweiten Einsatz dieser Nacht konnte er nach erfolgreicher Führung durch einen Jägerleitoffizier vom Boden noch einen Abschuß erzielen.
Sein 7. Luftsieg in dieser Nacht! Diese Leistung sollte er sogar noch einmal übertreffen, als er mit seiner Besatzung in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1945 neun Luftsiege erzielte. Drei dieser Erfolge schaffte sein Bordfunker, Lt. Karl-Ludwig Johanssen mit der nach hinten gerichteten Zwillings-Mg- Abwehrbewaffnung. Für die großen Erfolge bei seinen Nachtjagdeinsätzen wurde ihm am 01.04.1944 das Ritterkreuz des Eisernen Kreuz verliehen. Bis zum Kriegsende errang er 58 Luftsiege, wofür ihm am 20.03.1945 noch das Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuz überreicht wurde.
Nun aber zurück zum Absturzort.
Nur der Bordmechaniker und der Bombenschütze überlebten diesen, ihren ersten, Einsatz. Sergeant H. Williams, neben dem Navigator einer der beiden Engländer an Bord (die anderen Männer der Besatzung waren Australier) gab nach dem Krieg und der Heimkehr in seine Heimat an, er sei durch eine Explosion an Bord aus der Maschine herausgeschleudert worden. An einen beabsichtigten Absprung konnte er sich nicht mehr erinnern.
(Der gefallene Bordfunker der Besatzung, F/S Kenneth McDonald Radley.)(Foto: Melvin Brown)
Ein Augenzeuge aus Arnshain, Walter Dickhaut (+), berichtete dagegen, daß die Maschine, nachdem sie von dem deutschen Nachtjäger in Brand geschossen wurde, relativ flach herunter gekommen und fast auf Wahlen gestürzt wäre. Da aber ein Teil der linken Tragfläche schon über dem Gleimenheimer Holz abgerissen war, habe die Maschine eine Wendung nach rechts gemacht, die aber durch eine weitere Linkswendung des Piloten ausgeglichen worden sei. Walter Dickhaut vermutete, daß der Pilot einen Absturz in den Wald verhindern wollte. Auch sagte er mir später, daß alle Besatzungsmitglieder, mit Ausnahme des Piloten, mit dem Fallschirm abgesprungen waren, aber nur bei den beiden Überlebenden habe sich der Schirm noch vollständig geöffnet, so daß davon ausgegangen werden muß, daß der Absprung zu spät durchgeführt wurde.
Die zwei Überlebenden versuchten zunächst zu entkommen, wurden aber von Soldaten einer bei Gleimenheim stationierten Flakbatterie gefangengenommen.Die Körper der vier anderen abgesprungenen Besatzungsmitglieder wurden zerschmettert auf den Äckern gefunden, und der Pilot saß bis zur Unkenntlichkeit verbrannt auf seinem Führersitz.
Am folgenden Tag wurden die Toten zusammengetragen, in Särge gelegt und auf dem Friedhof in Wahlen beigesetzt. Der damalige Bürgermeister Hermann Schäfer habe bei der Beisetzung noch ein Gebet gesprochen, da der Pfarrer seine Mitwirkung verweigert habe.
(Auch er starb beim Absturz: F/S Arthur Henry Williams, der Heckschütze.) (Foto: Melvin Brown)
Auch diese Toten wurden nach dem Krieg exhumiert und auf den engl. Friedhof nach Hannover überführt.Sie fanden dort ihre letzte Ruhestätte in den Gräbern 4.G.6 bis 4.G.10.
Die bei English Electric hergestellte Halifax, mit der Kennung MH-Q der 51. Squadron, verbrannte mit dem toten Piloten im Cockpit im Feld bei Wahlen.
Die Absturzstelle wird heute wieder als Ackerland benutzt und beim Pflügen oder Eggen entdeckt der Landwirt immer noch kleine Teile, die einst zu einem todbringenden, bombentragenden Kampfflugzeug gehörten.
Absturz eines viermotorigen britischen Bombers
Ort: Wahlen, Bei „Hebels Garten”
Datum: 31. März 1944
Uhrzeit: ca. 00.45 Uhr
Flugzeugtyp: Handley Page Halifax B./A.III
Werknummer: LW544
Hersteller: English Electric Co. Ltd.
Auslieferungszeit: 21.01.44 - 28.01.44
Motoren: 4 luftgekühlte 14-Zylinder Bristol Hercules XVI Doppelsternmotoren
Einheit: No. 51. Squadron in der No. 4 Group
Kennung: M H (Kokarde) Q
Heimatflughafen: Snaith, Yorkshire
Startzeit: 22.14 Uhr
Angriffsziel: Nürnberg
Absturzursache: Nachtjägerbeschuß
Besatzung:
Pilot: F/S Geoffrey Graham Brougham (RAAF) Gefallen
Bordmechaniker: Sgt. H. Williams (RAF) Gefangenschaft
Navigator: F/O Harold Bowling (RAF) Gefallen
Bombenschütze: F/S J. H. Gowland (RAAF) Gefangenschaft
Bordfunker: F/S Kenneth McDonald Radley (RAAF) Gefallen
Mittelturmschütze: F/S Lloyd Francis Peel (RAAF) Gefallen
Heckschütze: F/S Arthur Henry Williams (RAAF) Gefallen
Lischeid, Freitag, 31. März 1944
Nicht nur das Bomber Command der Royal Air Force hatte in dieser Nacht Verluste zu beklagen, sondern auch die deutsche Nachtjagd hatte Maschinen und Besatzungen verloren.
Im Vergleich zu den horrenden Verlusten der Briten aber waren diese Verluste fast unerheblich. Die zweimotorige deutsche Nachtjagd hatte 6 gefallene und 14 verwundete Besatzungsmitglieder zu beklagen. Unter den Gefallenen war „nur” ein Flugzeugführer.
Doch auch einzelne Maschinen der einmotorigen Nachtjagd waren in dieser Nacht in der Luft.
Sie hatten keine Nachtjagdsuchgeräte und sollten ihre Ziele über den angegriffenen Objekten, also über den brennenden Städten, finden.
Um aber bei Nacht, ohne jegliche Hilfsmittel, ihre Operationsgebiete zu finden, war bei den Flugzeugführern, die diese Einsätze flogen, eine sehr gute Nachtflugtauglichkeit nötig.
Drei Maschinen dieser Einheiten stürzten in dieser Nacht ab. Alle drei Flugzeugführer kamen ums Leben. Eine Maschine in unserer näheren Heimat.
Im Wald zwischen Lischeid und Speckswinkel stürzte die Messerschmitt Bf 109 G-6 mit Oberfeldwebel Friedrich Hill von der 8. Staffel des Nachtjagdgeschwaders 302 (8./NJG 302) brennend ab. Beim Aufschlag der Maschine mit der Werknummer 411 460 und der Staffelkennung „Schwarze 4” im Distrikt 334 kam der am 27. April 1914 in Ickern bei Dortmund geborene Flugzeugführer ums Leben.
(Oberfeldwebel Friedrich Hill.) (Foto: Konrad Rudolph)
Der in Oldenburg gestartete Oberfeldwebel war mit fast 30 Jahren schon einer der älteren Jagdflieger. Er war vorher als Fluglehrer im Flieger-Ausbildungs-Regiment 51 tätig gewesen und hatte sich auf eigenen Wunsch zu einer Fronteinheit versetzen lassen.
Schon sein erster Nachtjagdeinsatz sollte zugleich auch sein letzter sein.
Diese Art von Nachtjagd, „Wilde Sau” genannt, wurde von Oberst Hajo Herrenmann ins Leben gerufen, nachdem es den Briten gelungen war, die deutschen Suchgeräte mit Stanniolstreifen, genannt „Windows”, so zu stören, daß die Abschußsrate ab Herbst 1943 kontinuierlich nach unten ging. Die Deutschen kannten diese Stanniolstreifen unter dem Namen „Düppel”.
Wie die Briten auch hatten die Deutschen schon sehr früh im Krieg erkannt, daß man mit diesen Streifen, auf halbe Frequenzlänge geschnitten, die Frequenzen des Gegners stören bzw. ganz ausschalten konnte. Aber beide Seiten setzten diese Geheimwaffe zunächst nicht ein, um den jeweiligen Gegner nicht auf die gleiche Idee zu bringen.
Also mußte nach den Störungen durch die Royal Air Force eine neue Abwehrtaktik bei Nacht her.
Diese war die „Wilde Sau”. Die Flugzeugführer starteten bei der einmotorigen Nachtjagd ungeführt und mußten sich ihre Ziele selbst suchen. Hatten sie dann das Glück, einen Gegner zu finden und zu bekämpfen, eventuell sogar abzuschießen, dann kam auf den Flugzeugführer das nächste Problem zu.
Er mußte wieder einen Landeplatz finden, um sich und seine Maschine wieder heil zu Boden zu bringen.Dies gelang Oberfeldwebel Friedrich Hill in dieser Nacht nicht.
Da auf britischer Seite der Angriff eines einmotorigen Nachtjägers auf einen Bomber, im Raum zwischen Bonn und Fulda, gemeldet worden war, könnte es sich um Obfw. Hill mit seiner Messerschmitt gehandelt haben.Dies würde bedeuten, daß er gleich bei seinem ersten Einsatz den Gegner gefunden und angegriffen hätte.
Die Bomberbesatzung aber wehrte sich und schoß den Angreifer brennend ab.
Oberfeldwebel Hill konnte nicht mehr aus seiner Maschine aussteigen und schlug, wahrscheinlich schon in der Luft tödlich getroffen, im Wald zwischen Lischeid und Speckswinkel auf.
Seine letzte Ruhestätte fand er im April 1944 auf dem Friedhof in Lischeid.
(Das Grab von Obfw. Hill auf dem Friedhof in Lischeid.) (Foto: Dirk Sohl)
Viele Friedhofsbesucher bestaunten schon das Grab mit Kreuz und Stahlhelm und verweilten andächtig an dieser noch immer sehr gepflegten letzten Ruhestätte des Gefallenen.
Da es wie jedes Kriegsgrab, ein ewiges Ruherecht besitzt, wird es weiterhin die Menschen vor den Auswirkungen eines Krieges mahnen.
Absturz eines einmotorigen deutschen Nachtjagdflugzeugs
Ort: Lischeid, Distrikt 334 im Wald in Richtung Speckswinkel
Datum: 31. März 1944
Uhrzeit: ca. 00.45 - 01.00 Uhr
Flugzeugtyp: Messerschmitt Bf 109 G-6
Werknummer: 411 460
Hersteller: Erla
Kennung: „Schwarze 4”
Stammkennzeichen: RW + TI
Motor: 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender V-Motor Daimler Benz DB 605
Einheit: 8. Staffel / Jagdgeschwader 302
Startflughafen: Oldenburg
Flugzeugführer: Oberfeldwebel Friedrich Hill
Erkennungsmarke: Sch./Fl.-Ausb. Rgt. 51 - Nr. 639
Geburtsdatum: 27. April 1914
Geburtsort: Ickern bei Dortmund
Verbleib: Gefallen
Grablage: Friedhof Lischeid
Absturzursache: Luftkampf mit 4mot. britischen Bomber