Die dreiköpfige Besatzung von der 12. Staffel des Nachtjagdgeschwaders 1 kam beim Absturz ums Leben. Der Gruppenkommandeur dieser Einheit, der auch die Verlustmeldung unterschrieb, war der erfolgreichste Nachtjagdpilot aller Zeiten: Hauptmann Heinz-Wolfgang Schnaufer. Er errang insgesamt 121 Luftsiege.
Gestartet war diese Besatzung zu ihrem letzten Feindflug vom Fliegerhorst St. Trond in Belgien.
In der Verlustmeldung der Einheit wurde als Absturzursache „Flugunfall durch Verorientierung - Totalzertrümmerung” angegeben.
Da alle 3 Besatzungsmitglieder umkamen, läßt sich dies heute nicht mehr nachvollziehen. Sicher aber ist, daß diese Maschine sehr weit von ihrem eigentlichen Nachtjagdraum entfernt war.
Ein Zeitzeuge, der damals 4jährige Lothar Schwarz aus Gönnern, meint sich noch daran erinnern zu können, dass es vor dem Absturz zu einem Luftkampf gekommen sei. Nachdem man die Geräusche der Flugmotoren hörte, begab man sich in einen nahegelegenen Stollen. Der Luftkampf habe etwa 15 Minuten gedauert bis man dann den Aufschlag hörte und daraufhin den Stollen verließ. In Richtung Gönnern hat man dann auch den Feuerschein der brennenden Maschine gesehen.
Der Flugzeugführer, Feldwebel Emil Hilberseimer, geboren am 16.02.1919 in Düren, der Bordfunker, Unteroffizier Karl Holch, geboren am 16.02.1921 in Bad Cannstatt, und der Bordschütze, Gefreiter Gerhard Gille, geboren am 09.02.1924 in Wittmar, kamen beim Aufschlag der Maschine ums Leben.
(Flugzeugführer Fw. Hilberseimer und Bordfunker Uffz. Holch in der Kabine einer Messerschmitt Bf 110.) (Foto: Ernst Holch)
Die zweimotorige Messerschmitt-Nachtjagdmaschine mit der Kennung: G 9 + C Z und der Werknummer 730 118 wurde vollständig zertrümmert.
Es muß sich für die ersten dazugeeilten Helfer ein schreckliches Bild geboten haben.
Vom damaligen Gendarmerie-Einzelposten in Gönnern wurde nach Biedenkopf gemeldet:
„In der Nacht vom 16. auf 17. Juni 1944 wurde ich durch Flugzeuggeräusche geweckt. Es war gegen 2.30 Uhr, da hörte ich deutlich ein deutsches Flugzeug herankommen und plötzlich abstürzen. Ich kleidete mich sofort an und begab mich auf die Straße. Von da sah ich in nordwestlicher Richtung, auf der Bracht, eine mächtige Stichflamme und hörte dazu andauernde Explosionen.....
Ich verständigte sofort meine Vorgesetzten und Dienststellen und alarmierte die Landwacht. Darauf begab ich mich mit den ersten Männern sofort an die Unfallstelle. Da dieselbe durch die noch immer andauernden Explosionen nicht zugänglich war, versuchte ich durch lautes Rufen festzustellen, ob noch Verunglückte am Leben seien. Ich ließ die Unfallstelle durch die immer mehr herbeigeeilten Landwachtleute zunächst auf größerer Entfernung absperren und beobachtete das Feuer. Dieses aber wurde durch den anhaltenden Regen nicht gefährlich. Inzwischen kam auch schon der Meister der Gend. Aubach aus Niedereisenhausen herbei, und ich meldete mich bei ihm. Wir versuchten, jetzt näher an den Brandherd heran zukommen, was uns nach einiger Zeit auch möglich war. Inzwischen waren der Gend.-Kreisführer, und etwas später auch der Herr Landrat an der Unfallstelle angekommen. Es gelang uns jetzt, näher an die Brandstelle heran zu kommen, und wir konnten nacheinander drei Tote, zum Teil schon angebrannte Kameraden von der Luftwaffe aus den Trümmern bergen.
Die Toten wurden in Holzsärge gelegt und ins Dorf gebracht. Die umherliegende Munition gesammelt und sicher gestellt. Die Heeresdienststelle wurde durch den Gend.-Kreisführer benachrichtigt. Die Unfallstelle wird durch die Landwacht weiter abgesperrt."
Daß ich diese Informationen erhalten konnte, habe ich Frau Marta Gille aus Wittmar, der Schwägerin des gefallenen Bordschützen, und dem damaligen Oberwachtmeister der Gendarmerie, Karl Schmidt aus Gönnern, zu verdanken.
Herr Schmidt hatte damals, um die Angehörigen zu informieren, eine Abschrift seiner Meldung mit folgenden handschriftlichen Nachtrag versehen:
„Die Eltern haben bestimmt das Bedürfnis, näheres über den Unfall ihres tapferen Sohnes zu erfahren. Der Einfachheit halber sende ich Ihnen daher eine Abschrift meines Berichtes.
Es geschieht dies ohne Wissen meiner Vorgesetzten und der Wehrmachtdienststellen.
Ich bitte dies zu beachten.
Ich versichere Ihnen meine herzlichste Teilnahme an Ihrem schweren Verlust, und außer mir tut das die gesamte Bevölkerung unserer Gegend in stiller Trauer.
Immer den Kopf hoch tragen und erst recht, wenn es am schwersten fällt."
Dieses Schreiben ging dann an die Eltern des Gefreiten Gerhard Gille in Wittmar und vermutlich auch an die Angehörigen der beiden anderen Gefallenen in Bad Cannstatt und Düren. Dies läßt sich aber nach so vielen Jahren nicht mehr nachvollziehen, ist aber doch sehr wahrscheinlich.
Als ich Ende 1996 nach Angehörigen der Gefallenen forschte, konnte ich mit Frau Marta Gille in Wittmar bei Wolfenbüttel eine nähere Verwandte des gefallenen Bordschützen ausfindig machen.
Sie war dann so nett und schickte mir neben Fotos und privaten Unterlagen auch eine Kopie des o.a. Schreibens mit.
Ein knappes Vierteljahr später gelang mir auch noch die Kontaktaufnahme mit einer Nichte des gefallenen Bordfunkers.
Am 17. Februar erhielt ich einen kurzen Brief, dem zwei Fotos beilagen.
Eines zeigte den Bordfunker Karl Holch zusammen mit seinem Flugzeugführer, das andere ihn allein in einer Messerschmitt Bf 110.
Noch heute erinnert die Schneise, die die abstürzende Maschine im Wald bei Gönnern hinterlassen hat, an den Absturz dieses deutschen Nachtjagdflugzeugs.
Ein großer Stein mit einer Plakette darauf soll das damals Geschehene für die Nachwelt erhalten. Es soll den Gefallenen gedenken und den Lebenden mahnen.
(Fotos der Gedenksteine an der Absturzstelle) (Fotos: Lothar Schwarz)
Feldwebel Emil Hilberseimer und Unteroffizier Karl Holch, die einen Teil ihrer Ausbildung auf der Blindflugschule 6 in Wesendorf schon zusammen absolviert hatten, wurden auf den Friedhöfen ihrer Heimatstädte in Düren und Stuttgart beigesetzt.
Der Gefreite Gerhard Gille fand seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof der Gemeinde Wittmar.