Fliegerschicksale über Lumda, Lahn und Ohm
  11. September 1944
 

Montag, 11. September 1944 

Insgesamt 1131 viermotorige Bomber der 8. USAAF (United States Army Air Force = amerikanische Luftwaffe) starteten an diesem Tag zu Angriffen auf die Treibstoffwerke Böhlen, Brüx, Lützkendorf, Merseburg, Misburg und Ruhland, sowie auf Industrie- und Verkehrsziele in den Räumen Chemnitz, Eisenach, Erfurt, Fulda, Hannover, Leipzig, Magdeburg, Stendal und Zwickau.
Begleitet wurde diese Armada von etwa 440 ein- und zweimotorigen Jagdflugzeugen.
Außerdem flogen noch hunderte amerikanischer Jagdbomber Angriffe gegen Verkehrsziele in den west- und südwestdeutschen Grenzgebieten.

Zeitgleich griff das Bomber Command der Royal Air Force mit 379 Kampfflugzeugen Ölziele bei Castrop-Rauxel, Gelsenkirchen und Kamen an, während 218 weitere zwei- und viermotorige Maschinen Einsätze gegen deutsche Stellungen bei Le Havre flogen.

Aber auch die deutsche Luftverteidigung kam erstmals seit dem Beginn der Invasion wieder zu einem massierten Einsatz gegen die westlichen Alliierten. Etwa 400 Jagdflugzeuge von 15 Tagjagdgruppen wurden in den Abwehrkampf geworfen.

Als dieser Kampftag vorbei war, hatte die deutsche Jagdwaffe etwa 60 gefallene oder vermißte und 25 verwundete Flugzeugführer zu beklagen. 113 Jagdflugzeuge mußten komplett abgeschrieben werden, während 20 weitere beschädigt wurden.

Die Amerikaner verloren 47 Bomber und 29 Jagdflugzeuge, während die Briten mit dem Verlusten von 8 viermotorigen Halifax bzw. Lancaster verhältnismäßig glimpflich davon kamen.

Die deutschen Jagdflieger hatten an diesem Tage keine Feindberührungen mit den britischen Halifax, Lancaster und Mosquito, da alle verfügbaren Einheiten den zuerst eingeflogenen Amerikanern entgegen geworfen worden waren.
Die britischen Verluste resultierten entweder aus Flaktreffern oder eigenen Bomben, wenn ein in unterer Formation fliegendes Flugzeug von den Bomben eines höher fliegenden getroffen wurde.

Zu schweren Luftkämpfen kam es an diesem Tag auch über unserer näheren Heimat, wo die Messerschmitts Bf 109 der III. Gruppe des „Pik-As”-Geschwaders (Jagdgeschwader 53) und des Jagdgeschwaders 300 „Wilde Sau” auf amerikanische 4mots. vom Typ B-24 „Liberator” und ihren Begleitschutz, P-51 „Mustangs” der 355. Fighter Group, stießen.
Über dem südwestlichen und westlichen Kreisgebiet gingen etwa 10 deutsche und amerikanische Maschinen zu Boden. Diese Kämpfe dehnten sich auch auf das Gebiet um Gießen und den Luftraum über dem Vogelsberg aus. Die im Landkreis Marburg /Biedenkopf und in den direkten Nachbarkreisen aufgetretenen Verluste werden in den folgenden Kapiteln wiedergegeben. 

Bellnhausen und Hassenhausen, Montag, 11. September 1944

Um 12.00 Uhr mittags stürzte bei Hassenhausen ein deutsches Jagdflugzeug vom Typ Messerschmitt Bf 109 G-6 ab.
Eine Meldung des damaligen Gendarmeriemeisters vom 12. September 1944 an den Landrat beinhaltete die ersten Informationen, die wir darüber erhielten.

Betrifft: Auffinden einer abgestürzten deutschen Jagdmaschine Me 109.

Am 11.9.44, gegen 13.30 Uhr, wurde von dem Schullehrer Banff, wohnhaft in Bellnhausen, im Walde etwa 1500 m östlich vom Dorf Bellnhausen entfernt, der vordere Teil (Motor und Tragfläche) eines deutschen Jagdflugzeugs aufgefunden. Etwa in 500 m Entfernung in süd-westl. Richtung von der vorgenannten Fundstelle wurde der hintere Teil des Flugzeuges gefunden. Der Flugzeugführer konnte beim Absuchen des Waldes und dessen näherer Umgebung von der eingesetzten Landwacht von Bellnhausen und Hassenhausen und anderen hinzugezogenen Dorfeinwohnern nicht gefunden werden.

Am 12.9.44 in den Mittagsstunden wurde der Flugzeugführer erst durch einen Hund im Walde in der Nähe der Gemeinde Hassenhausen aufgespürt. Der Führer ist vermutlich beim Abtrudeln der Maschine mit dem Sitz in großer Höhe herausgeschleudert.....

Es handelt sich um den Oberfähnrich Peter Baer, geb. am 10.11.24 in Marburg/Lahn, Angehöriger der 3. Jagdgruppe Süd.....

Die vorgefundenen Wertgegenstände wurden in Gegenwart des Stabsfeldwebels Lemcke von der Flugleitung Bracht, Krs. Marburg/L., entnommen, der sie zur weiteren Veranlassung an sich nahm. Stabsfeldwebel Lemcke hat auch die Erledigung der weiteren Formalitäten übernommen.

Die Leiche des Flugzeugführers Baer wurde in der Kirche in Hassenhausen aufgebahrt und wird am Freitag, den 15.9.44, um 14 Uhr auf dem Friedhof in Hassenhausen beigesetzt.

Die Reste des Flugzeuges wurden bis heute von den Angehörigen der Landwachtposten Bellnhausen bewacht. Nach der Entladung der Bordwaffen, Entfernung der noch vorhandenen Munition und Sicherstellung wichtiger Geräte hält Stabsfeldwebel Lemcke eine weitere Bewachung für nicht mehr erforderlich.
Die Bewachung wurde eingestellt.”

(Ofhr. Peter Baer: Gefallen am 11.09.1944 bei Hassenhausen.) (Foto: Hermann Breitstadt (+))

Unsere Nachforschungen in verschiedenen Archiven und in Hassenhausen, wo uns die Familie Breitstadt sehr viele Informationen, Unterlagen und Fotos geben konnte, ließen uns den Fall ziemlich leicht klären. 

Der am 10. November 1924 als Sohn eines Kinderarztes in Marburg geborene Oberfähnrich Peter Baer flog als Flugzeugführer im Gruppenstab der III. Gruppe des Jagdgeschwaders 53 „Pik-As”.

(Die Traueranzeige der Familie Baer in einer Freiburger Zeitung.) (Foto: Hermann Breitstadt(+))
 

Gestartet war seine Einheit in Mörtitz bei Eilenburg.
Im Raum Marburg/Gießen trafen dann die deutschen Messerschmitts des JG 53 auf amerikanische Bomberformationen mit deren Begleitschutz vom Typ P-51 „Mustang”.

Einigen der deutschen Jagdflieger gelang es, an die Bomber heranzukommen, die anderen aber wurden vom Jagdschutz abgefangen und in schwere Luftkämpfe verwickelt.
Es gilt als ziemlich sicher, daß die in den Flugzeugwerken in Wiener Neustadt gebaute Messerschmitt Bf 109 G-6, mit der Werknummer 442 001 und der Kennung „Schwarze < 4”, geflogen von Oberfähnrich Baer, einen Luftkampf mit einer amerikanischen „Mustang” hatte und während des Gefechts im engen Kurvenkampf mit dieser zusammenstieß.
Durch die hohe Aufprallgeschwindigkeit wurde die Maschine auseinandergerissen und fiel schon in mindestens drei Teilen zu Boden.
Im Waldstück östlich Bellnhausen wurde der vordere Teil, mit Daimler Benz DB 605 Motor und Tragfläche(n) aufgefunden. Das hintere Teil, also Rumpfende und Leitwerk, wurde näher zu Hassenhausen und der tote Flugzeugführer wiederum etwas weiter entfernt, aber auch im zu Hassenhausen gehörenden, nordwestlich des Dorfes gelegenen Waldstück gefunden. 

Oberfähnrich Peter Baer, der nur wenige Kilometer südlich seines Geburtsortes fiel, wurde zunächst auf dem Friedhof in Hassenhausen beigesetzt, später aber von seinen Eltern in ihre neue Heimat nach Freiburg im Breisgau überführt.








(Die Beisetzung des Ofhr. Baer in Hassenhausen.)
(Fotos: Hermann Breitstadt(+)) 

Vor einigen Jahren stießen wir bei einem Spaziergang nahe des Schützenhauses bei Bellnhausen auf ein Querruder-Gegengewicht einer Messerschmitt Bf 109, welches sehr wahrscheinlich von der von Peter Baer gesteuerten Maschine stammt.
 

Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
 

Ort:                     Hassenhausen, Bellnhausen, Im Wald zwischen den beiden Ortschaften 

Datum:               11. September 1944
 
Uhrzeit:              ca. 12.00 Uhr

Flugzeugtyp:      Messerschmitt Bf 109 G-6

Werknummer:    442 001

Kennung:            „Schwarze < 4”

Motor:                 1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder hängender
                            V-Motor Daimler Benz DB 605

Einheit:                Gruppenstab III. Gruppe /
                             Jagdgeschwader 53 „Pik-As”

Startflughafen:    Mörtitz bei Eilenburg

Flugzeugführer:   Oberfähnrich Peter Baer

Erkennungsmarke:

Geburtsdatum:    11. November 1924

Geburtsort:          Marburg / Lahn 

Verbleib:              Gefallen

Grablage:             Freiburg im Breisgau.

Absturzursache:   Luftzusammenstoß mit P-51 „Mustang”


Hassenhausen, Montag, 11. September 1944

Da wir ja von einem Luftzusammenstoß als Absturzursache der Messerschmitt Bf 109 von Ofhr. Peter Baer im Wald zwischen Hassen- und Bellnhausen ausgehen, muß ja irgendwo auch die zweite Maschine heruntergegangen sein.

Und tatsächlich, ebenfalls bei Hassenhausen, diesmal aber in einem Waldstück südöstlich des Ortes, wurden am 11. September 1944, abends gegen 17.00 Uhr, von den Landwirten Heinrich Becker und Johannes Weber aus Hassenhausen die Überreste eines amerikanischen Jagdflugzeugs aufgefunden.

Die Maschine war vollständig zertrümmert, den Piloten fanden sie fürchterlich verstümmelt etwa 50 Meter von den Wrackteilen entfernt tot auf.
Der Gendarmeriemeister bezeichnete den Flugzeugtyp zwar als „Harrison”, nannte in seinem Bericht aber auch den Namen des Piloten, Walter L. Morgan, mit der Erkennungsmarke O-437219 T 43-44 BP.

Den Flugzeugtyp „Harrison” gab es nicht, wahrscheinlich dachte er an eine englische Hurricane, aber durch den Namen des Piloten wurde von uns die Maschine als P-51 „Mustang” identifiziert. So konnte auch dieser Fall recht schnell geklärt werden.
Aus den Vereinigten Staaten wurden von uns zunächst die „Missing Air Crew Reports” (MACR) dieses 11.09.1944 bestellt.

(Abschrift des Missing Air Crew Reports über Capt. Walter Morgan.) (Das Original befindet sich im Washington National Records Center Building in Washington D.C.) 

Der Report mit der Nummer 8699 war dann der von uns gesuchte.
Captain Walter L. Morgan, Erkennungsmarkennummer O-437219, war als Angehöriger der 358. Fighter Squadron in der 355. Fighter Group mit dieser Einheit am 11.09.1944 in Steeple Morden in England als Begleitschutz für schwere viermotorige Bomber gestartet.

Als Auftrag hatte die Einheit neben „Ramrod” (Begleitschutz) auch „Strafing” (Tieffliegerangriffe) erhalten.

Dazu wird aber Capt. Morgan an diesem Tag nicht mehr gekommen sein. Die Luftkämpfe spielten sich in großer Höhe ab, und wahrscheinlich war es die von ihm geflogene Maschine, die im Luftkampf mit der Messerschmitt Bf 109 G-6 von Ofhr. Baer zusammenstieß.

(Captain Walter L. Morgan vor einer P-51 „Mustang”.) (Foto: Bill Marshall via Horst Jeckel)
 

Sein Jagdflugzeug, eine North American P-51 B-7 „Mustang” mit der Werknummer 43-7023, wurde total zerstört. Es gilt als wahrscheinlich, daß der Pilot schon beim Zusammenstoß in der Luft ums Leben kam.
Zwei weitere Kameraden seiner Einheit mußten bei Rechtenbach südöstlich von Wetzlar ihr Leben lassen, als ihre „Mustangs” dort abstürzten.
Diese beiden Absturzstellen liegen so nah beieinander, daß man auch dort zunächst von einem Luftzusammenstoß ausgehen mußte.

Tatsächlich aber wurden beide Maschinen beim hochziehen nach einem Tieffliegerangriff auf einen Flugplatz von leichter Eisenbahnflak in der Gegend um Großen Linden unter Beschuß genommen und schwer getroffen. Einer der beiden Amerikaner schlug mit seiner Maschine in einem Wald auf, der zweite Pilot sprang noch aus seiner Maschine, sein Fallschirm aber öffnete sich aufgrund der niedrigen Höhe nicht mehr.



(Fotoausschnitt von Walter L. Morgan aus einer US-Amerikanischen Zeitung)(Internet)


(Selbiges Foto mit dem dazugehörigen Zeitungsbericht)(Internet)

Die in den North American Aviation Flugzeugwerken in Inglewood, Kalifornien, hergestellte P-51 von Walter L. Morgan hatte auf den beiden Seiten noch die persönlichen Aufschriften des Piloten, „Big Stoop” und „Ridge Runner” und die Kennung YF-S.
Eine deutsche Gräberliste, die sich heute in amerikanischen Archiven befindet, gibt als Begräbnisdatum den 13.09.1944 und als Grablage Friedhof Hassenhausen an.


(Eine Kopie der Todesbescheinigung.) (Das Original befindet sich im Washington National Records Center Building in Washington D.C) 

Dort ruhten die sterblichen Überreste des gefallenen Piloten bis zum 01. März 1946. An diesem Tag wurde der Leichnam exhumiert und auf den amerikanischen Friedhof in Margraten, etwa 15 Kilometer westlich von Aachen, in den Niederlanden überführt.

Man muß wissen, daß es die Vereinigten Staaten von Amerika so halten, daß kein eigener Soldat im Boden des Gegners beigesetzt werden soll. Aus diesem Grund befinden sich die amerikanischen Sammelfriedhöfe in Mitteleuropa zum größten Teil in den Niederlanden, Belgien und Frankreich.

Wenige Jahre nach dem Krieg ließ seine Familie die sterblichen Überreste in die USA überführen.
Dort ruht Walter L. Morgan heute auf dem Friedhof in Delhi, County Richmond, im US-Staat Louisiana.


(Der Grabstein von Capt. Morgang in Delhi, Louisiana, USA)(Foto: Mary Brown via "Find a grave".)

Die größeren Flugzeugtrümmer wurden schon in den Tagen nach dem Absturz am 11.09.1944 von einem Bergungskommando aufgesammelt, um der Metallverwertung zugeführt zu werden. In den 1970er Jahren wurde von Interessierten die Absturzstelle noch mehrfach abgesucht, und es wurden noch etliche Kleinteile im Waldboden entdeckt.

Diese Teile wurden nach dem Tod des Finders im Jahr 2005 dem Museum der Initiative Fliegerschicksale in Hessen in Ebsdorf übergeben.

Neben den verschiedenen Kleinteilen befindet sich im Museum auch noch eine „Kriegsschubkarre”. Diese, bestehend aus einer Munitionskiste, einigen Bretter und dem Spornrad der bei Hassenhausen abgestürzten P-51, wurde dem Museum Anfang der 1990er Jahre von einem Herrn aus Marburg übergeben.

Dieser hatte das Rad nach dem Krieg im Wald gefunden und sich mit einfachsten Mitteln diesen Karren zusammengebaut, der noch bis zur Übergabe an das Museum seinen Dienst im Garten versah.

 

Absturz eines einmotorigen amerikanischen Jagdflugzeugs
 

Ort:                     Hassenhausen, Im Wald 500 Meter südöstlich des Dorfes 

Datum:               11. September 1944

Uhrzeit:               ca. 12.10 Uhr

Flugzeugtyp:       North American P-51 B-7 „Mustang”

Werknummer:    43-7023

Kennung:            Y F (Stern) S 

Motor:                 1 flüssigkeitsgekühlter
                             V-12-Motor Allison V-1710-F3R

Einheit:                358. Fighter Squadron in der 355. Fighter Group

Startflughafen:    Steeple Morden, England

Pilot:                    Captain Walter L. Morgan

Erkennungsm.:    O-437219

Geburtsdatum:    29. August 1919

Geburtsort:          Delhi, Louisiana (USA)

Verbleib:              Gefallen

Grablage:             Delhi, Louisiana (USA)

Absturzursache:   Luftzusammenstoß mit Messerschmitt Bf 109 G-6

 

Winnen, Montag, 11. September 1944

Zwei Flugzeugführer der III./JG 53, also Angehörige der selben Einheit wie Oberfähnrich Baer, meldeten zum gleichen Zeitpunkt Luftsiege über amerikanische B-24-Bomber.

Anerkannt wurden zumindest der Abschuß einer B-24 von Lt. Rudolf Krau von der 9./JG 53 um 11.58 Uhr und der Abschuß von Uffz. Gerhard Fieseler von der 10./JG 53 um 12.00 Uhr.
Lt. Krau sollte diesen, seinen zweiten Luftsieg nur um einen Tag überleben. Schon am 12.09.44 fiel er bei Straußberg im Luftkampf. Unteroffizier Gerhard Fieseler konnte bisher leider nicht ausfindig gemacht werden, obwohl schon vor einigen Jahren Briefe an alle Männer dieses Namens in Deutschland herausgegangen sind. Das letzte, das wir über ihn in Erfahrung bringen konnten, war eine Verwundung im Luftkampf am 23.02.1945 im Raum Pforzheim/Bretten. Zu diesem Zeitpunkt war er zum Feldwebel befördert worden und flog noch immer in der gleichen Einheit.
Es gilt als ziemlich sicher, läßt sich aber nicht beweisen, daß Lt. Krau eine B-24 „Liberator” abschoß, die bei Espa in der Nähe von Butzbach abstürzte.

Die Maschine, die Uffz. Fieseler abschoß, kann eigentlich nur die um Punkt 12.00 Uhr mittags bei Winnen, damals noch Landkreis Marburg, abgestürzte B-24 „Liberator” sein.

(Die B-24 „Liberator” auf einem englischen Flugplatz. Deutlich ist die Bemalung zu erkennen.) (Foto: Odell Dobson)



 
(Die gleiche Maschine aber ohne Bodenpersonal)(Foto: Michael Dobson)


Auf dem Flugplatz Wendling in Norfolk, England, starteten die B-24 der 578th Bombardment Squadron in der 392nd Bombardment Group zu einem ihrer vielen Einsätze gegen das Deutsche Reich. Diesmal war Hannover ihr Ziel.

Unter den gestarteten Maschinen befand sich auch die von 1stLt. Charles R. Rudd aus Fairbury im U.S.-Bundesstaat Illinois geführte B-24 H „Liberator” mit der Werknummer 42-50466. Das Flugzeug mit der Bezeichnung „Ford´s Folly” wurde mehrfach von deutschen Jagdfliegern angegriffen, wobei der Motor Nr. 3 Feuer fing. Dieses Feuer breitete sich blitzschnell über den Rumpf aus, die Maschine stürzte zunächst senkrecht, geriet dann ins Trudeln und schlug letztendlich in der Gemarkung „Winner Eck” auf.

Fast zeitgleich gingen im Feld bei Winnen noch sieben Bomben herunter. Zwei waren Blindgänger und detonierten nicht. Es handelte sich hierbei wahrscheinlich um einen Notwurf der schwer getroffenen „Ford´s Folly”.


(Die Besatzung der „Ford´s Folly”.)
(Foto: Odell Dobson)

Ob es dem Bombenschützen der Maschine, 2ndLt. William A. Spencer aus Wilmington in North Carolina, noch gelang, die Bomben abzuwerfen, oder ob der Abwurf durch den Brand eintrat, wird heute nicht mehr geklärt werden können, da 2ndLt. Spencer eines der acht Besatzungsmitglieder war, die diesen Tag nicht überleben sollten.

Als die ersten Deutschen an die Aufschlagstelle kamen, bot sich ihnen ein Bild des Grauens. 
In einem Schreiben an den Landrat heißt es:

Das Flugzeug lag etwa 400 m nordwestlich von Winnen am Waldrand und war vollkommen zerstört. Etwa 20 m vom Flugzeug entfernt lag ein totes Besatzungsmitglied im Wald. Der Fallschirm lag ungeöffnet neben dem Toten. Im ausgebrannten Flugzeug waren noch Körperteile eines Zweiten Toten festzustellen.” 

Die Maschine, mit zehn Besatzungsmitgliedern in England gestartet, wurde zum Grab. Nur zwei Besatzungsmitglieder entkamen an diesem Tag durch Fallschirmabsprung dem Tod..

Zum einen war dies der Bordfunker, T/Sgt. Roger E. E. Clapp aus Spruce Creek in Pennsylvania, der in Allendorf in Gefangenschaft geriet, nachdem er im Gemarkungsteil „Kellerborn” gelandet war, und zum anderen war es der linke Rumpfschütze, S/Sgt. Odell F. Dobson aus Charlotte in North Carolina, der bei Treis an der Lumda verwundet gefangen genommen wurde.


(Vier Besatzungsmitglieder. Ganz rechts Odell Dobson)(Foto:
HD Maynard)


An der Absturzstelle konnte zunächst nur ein Mann identifiziert werden. Es war der unweit des Wracks mit ungeöffneten Fallschirm aufgefundene T/Sgt. Claiborne R. Maynard aus Chapel Hill in North Carolina.




  (Claiborne R. Maynard)(Foto: HD
 Maynard)

Frau Anna Schmidt aus Winnen konnte mir Ende der 1980er Jahre noch mitteilen, daß zwei Besatzungsmitglieder auf dem Winner Friedhof beigesetzt waren. Es waren dies T/Sgt. Claiborne Maynard und der Bombenschütze, 2ndLt. William A. Spencer. An die Namen konnte sie sich noch immer erinnern.
 

Die anderen sechs Besatzungsmitglieder: Pilot 1stLt. Charles R. Rudd, Co-Pilot 2ndLt. Robert J. Benson aus Parkland, Washington, Navigator 2ndLt. Jennings B. Dawson aus Jene Lew, West Virginia, Bodenkanzelschütze S/Sgt. Richard E. Modlin aus Salinas, Kalifornien, rechter Rumpfschütze S/Sgt. Harvey G. Hoganson aus Ellyn, Illinois, und Heckschütze S/Sgt. Robert K. Place aus Newport, Indiana, sind in den Wrackteilen bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.

Obwohl der Bericht des Gendarmen von den Körperteilen nur eines Soldaten im Wrack sprach, scheint es sich doch um die Überreste von sechs Männern gehandelt zu haben.

Nach der Rückkehr aus Kriegsgefangenschaft gab S/Sgt. Dobson bei den amerikanischen Behörden seinen Bericht zu den Geschehnissen dieses Tages ab.




(Der Dienstausweis von Odell Dobson der techn. Schule der Air Force)
(Foto:
 Michael Dobson)

Er schrieb, daß sich das gesamte Ereignis nach seinen Erinnerungen am 11.09.1944 im Raum um Koblenz abgespielt habe.

Auf dem Flug in Richtung Angriffsziel Hannover wurde die B-24 von deutschen Jagdflugzeugen des Typs Me 109 angegriffen. Der Motor Nr. 3 wurde getroffen und begann zu brennen. Schon nach kürzester Zeit griff das Feuer auch auf den Bombenschacht über. Die Maschine verließ die Formation und ging zunächst in einen flachen Abflug über. Die Besatzung machte sich für den Absprung mit dem Fallschirm bereit.

In diesem Moment begann das Flugzeug sich zu überschlagen und in Spiralen der Erde entgegen zu stürzen. Acht Besatzungsmitglieder gingen mit der Maschine zu Boden. Er sah den Piloten zuletzt unverletzt mit dem Fallschirm auf dem Rücken, als er das Cockpit verlassen wollte. Neben diesem befand sich auf dem Flugdeck der ebenfalls noch unverletzte Co-Pilot.

Dies war kurz bevor die Maschine ins Trudeln kam. Den Navigator im Bug der Maschine hatte Dobson im gesamten Zeitraum weder gesehen noch über die Eigenverständigung gehört. Den Bombenschützen sah er ebenfalls nicht. Er hörte ihn nur kurz vor dem Absturz, als er dem Piloten mitteilte, daß es besser wäre, wenn dieser die Bomben abwerfen ließe.
Der Bordmechaniker, der sich während des Gefechtes im oberen Waffenturm befand, wurde schon beim ersten Angriff der Messerschmitts von einem explodierenden 20mm-Geschoß am Kopf getroffen und hatte das Bewußtsein verloren.
S/Sgt. Hoganson, der als Ersatzmechaniker an Bord war und die Position des rechten Rumpfschützen eingenommen hatte, bekämpfte bis zuletzt die angreifenden deutschen Jagdflugzeuge und soll noch drei der Angreifer abgeschossen haben. Zwei wurden von Dobson gesehen, als sie explodierten, und ein drittes mit einer abgerissenen Tragfläche beim senkrechten Sturz nach unten. Letztendlich aber war auch Hoganson schwer verwundet. Er lag auf dem Boden, blutete im Gesicht, am Kopf und aus der Hüfte, und war durch das Feuer von den anderen Kameraden in der Maschine getrennt.
Er hatte die Maschine mit seinen Kameraden bis zum bitteren Ende verteidigt.
Von S/Sgt. Modlin, der sich in der Bodenkanzel befand, hörte und sah Dobson nichts.
Dem Heckschützen, S/Sgt. Place war schon etwa 10 Minuten vor den Jägerangriffen der Waffenturm ausgefallen. Trotzdem blieb er in seinem Heckstand und meldete die angreifenden Gegner an die anderen Schützen. Zuletzt aber lag auch er im Gesicht und aus dem Kopf blutend auf dem Boden.

Auch der zweite Überlebende, T/Sgt. Clapp, gab seine Erinnerungen an diesen Tag in einem Report vom 03. August 1945 an die Behörden weiter.

Er schrieb:

T/Sgt. Maynard, dessen Kopf durch einen Treffer in seinem Turm halb weggerissen war, war seinen Verwundungen schon erlegen, bevor die Maschine ins Trudeln geriet.

Lt. Rudd gab den Befehl zum „Aussteigen”, den aber außer dem Co-Piloten und mir keiner gehört hat, da die Eigenverständigung unterbrochen war.

Die beiden Piloten verloren sofort nach dem Aussteigebefehl die Kontrolle über die Maschine, die sich sofort zu überschlagen begann. Als ich in Allendorf landete, sagten mir die Deutschen, daß kein anderer mehr die Maschine verlassen haben könne. Ich weiß, daß Lt. Rudd und Lt. Benson sowie T/Sgt. Maynard die Maschine nicht mehr verlassen konnten. Von Sgt. Dobson hörte ich noch, daß auch Sgt. Place zu schwer verwundet war, um die Maschine noch zu verlassen. Die anderen Besatzungsmitglieder haben den Befehl zum Absprung nicht gehört, und bis sie überhaupt gewußt haben, was los war, war es schon zu spät.”

(Das Grab von T/Sgt. Claiborne R. Maynard in Margraten / Niederlande.)
(Foto: Archiv Sohl)

Dobson und Clapp kehrten im 1945 in die Vereinigten Staaten zurück. Clapp verstarb 1993. Odell Dobson kam noch mehrmals nach dem Krieg nach Deutschland. Sein Sohn Patrick war als G.I. in Deutschland stationiert.

Bei seinen Besuchen im Land des ehemaligen Gegners reiste er zunächst nach Winnen, wo er immer die Familie Rein besuchte, deren Hof am nächsten zur Absturzstelle liegt.Dort unternahm er immer einen Spaziergang zur Aufschlagstelle der B-24, um seiner Kameraden zu gedenken.Nach einem Vortrag des Heimat- und Verschönerungs Vereins im Bürgerhaus Ebsdorf zu den Flugzeugabstürzen im Landkreis übergab uns Herr Rein einen Zettel mit der Adresse von Odell Dobson.

Am 04. Dezember 1997 schrieben wir an die angegebene Adresse und erhielt postwendend Antwort. Herr Dobson hatte seine Geschichte bereits niedergeschrieben, und diese kann man heute in seinem Internet-Tagebuch nachlesen.
Auch sendete er uns Fotos der Besatzung und der Maschine zu, die wir hier auch veröffentlichen können.
 
Gemeinsam machten wir uns dann auf die „Suche” nach dem deutschen Jagdflieger, der „seine” Liberator, „Ford´s Folly” abschoß.
Wir fanden elfmal den Namen Gerhard Fieseler und schrieben alle dieses Männer an, aber keiner der angeschriebenen Männer war der ehemalige Flugzeugführer.

Gerne hätte Mr. Dobson diesen kennengelernt, um mit ihm über diesen verhängnisvollen Tag zu reden. In vielen anderen Fällen trafen sich die ehemaligen Gegner und wurden zu guten Freunden.

Leider gelang uns hier aber keine Zusammenführung mehr.

Die sterblichen Überreste der acht gefallenen Besatzungsmitglieder fanden ihre letzten Ruhestätten in Margraten in den Niederlanden (Dawson, Maynard, Hoganson und Modlin), auf dem Jefferson Barracks Militärfriedhof in St. Louis in Missouri (Rudd, Benson und Spencer) sowie in einem Privatgrab in Newport, Indiana (Place).


(Odell Dobson am Grab des T/Sgt. Maynard)(Foto:
HD Maynard)

Im Jahre 2006 erhielt ein Museum in Ebsdorf aus dem Nachlaß unseres Freundes Helmut Heck ein Propellerblatt der „Liberator”, das er schon in den 1970er Jahren unweit der Absturzstelle bei Winnen gefunden hatte. Auch wir konnten in den Büschen noch einige Kleinteile finden, die von einem viermotorigen Bomber mit zehn Besatzungsmitgliedern übrig geblieben waren.


Im Jahr 2010 verstarb mit Odell Dobson das letzte Besatzungsmitglied der Maschine.
Odell Dobson fand seine letzte Ruhestätte auf dem Arlington National Cemetery im US-Bundesstaat
Virginia.
 
(Das Grab des im Januar 2010 in seiner Heimat verstorbenen Odell Dobson)(Foto: HD Maynard).

Im Mai 2024 kam sein Sohn Patrick Dobson, der beruflich in Kaiserslautern zu tun hatte nach Winnen und traf sich dort mit Helga Winn, geborene Rein und Gotthard Rein, den erwachsenen Kindern von Heinrich Rein, der am 4. Mai 2024 verstorben ist.
Am Hof der Familie Rein in Winnen trafen Horst Jeckel und Dirk Sohl auf Helga Winn, Gotthard Rein und Patrick Dobson. Von dort begab man sich dann gemeinsam zur Aufschlagstelle der "Liberator" und gedachte den
Gefallenen und Verstorbenen.
 



Absturz eines viermotorigen amerikanischen Bombers

Ort:                                  Winnen. Gemarkung „Winner Eck”

Datum:                            11. September 1944

Uhrzeit:                           12.00 Uhr

Flugzeugtyp:                   Consolidated B-24 J-40 CF „Liberator”

Werknummer:                42-50466

Hersteller:                      Ford Motor Company`s Willow Run Factory

Motoren:                        4 luftgekühlte Pratt & Whitney
                                        R-1830-43 14-Zylinder-Doppelstern

Einheit:                           578th Bombardment Squadron
                                        in der
392nd Bombardment Group

Heimatflughafen:           Wendling, England

Angriffsziel:                    Hannover

Absturzursache:             Jagdfliegerbeschuß durch Bf 109 der III./JG 53

Besatzung:

 Pilot:                                1stLt. Charles R. Rudd            Gefallen

Copilot:                             2ndLt. Robert J. Benson         Gefallen

Navigator:                         2ndLt. Jennings B. Dawson     Gefallen

Bombenschütze:                 2ndLt. William A. Spencer      Gefallen

Bordmechaniker:                T/Sgt. Claiborne R. Maynard  Gefallen

Bordfunker:                       T/Sgt. Roger E. E. Clapp Jr.   Gefangenschaft

Bodenkanzelschütze:           S/Sgt. Richard E. Modlin        Gefallen

re. Rumpfschütze:              S/Sgt. Harvey G. Hoganson   Gefallen

li. Rumpfschütze:               S/Sgt. Odell F. Dobson         Gefangenschaft

Heckschütze:                      S/Sgt. Robert K. Place          Gefallen


 

Mölln, Montag, 11. September 1944

Auch die in Mörtitz bei Eilenburg gestarteten Staffeln der III. Gruppe des Jagdgeschwaders 53, deren Flugzeugführern die zwei Liberator-Abschüsse gelangen, kamen nicht ganz ungeschoren aus diesen Luftkämpfen um die B-24 davon.
Die 11. Staffel verlor mindestens vier Maschinen im Raum Gießen/Marburg.
Während des Luftkampfes mit den B-24 und P-51 mußte Uffz. Herbert Pusch seine Messerschmitt Bf 109 G-6 bei oder über Gießen mit dem Fallschirm verlassen. Er kam nur noch tot am Boden an. Ob er am Fallschirm hängend tödlich getroffen wurde oder seine schweren Verletzungen noch in der Maschine erhalten hatte und diesen am Schirm hängend erlag konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden.

Der Flieger Fritz Weinzierl schlug mit seiner Messerschmitt bei Fellingshausen am Fuße des Dünsberg auf. Auch er konnte nur noch tot geborgen werden.

Die Messerschmitt Bf 109 G-6 mit der „Schwarzen 15”, geflogen von Leutnant Dieter Harpel, wurde ebenfalls „im Raum Gießen” vernichtet. Er stieg verwundet mit dem Fallschirm aus und landete vermutlich unweit von Frankenbach in den Bäumen.
Der vierte Maschinenverlust der 11. Staffel war die in den Messerschmittwerken in Regensburg hergestellte Me Bf 109 G-6 mit der Werknummer 166 207.
Geflogen wurde die Maschine mit der Kennung „Schwarze 21” von Unteroffizier Hubert Sommerhoff.
Dieser, der auch einen Luftsieg über eine B-24 beansprucht hatte, diesen aber nicht anerkannt bekam, mußte seine schwer angeschlagene Bf 109 bei Mölln auf den Bauch werfen, nachdem er schon im Luftkampf durch einen Kabinentreffer verwundet worden war.
Uffz. Sommerhoff war einer der deutschen Jagdflieger, welche die B-24 der 392. Bombardment Group der 8. USAAF über unserer Gegend angegriffen hatten.
Ob er durch das Abwehrfeuer der Bomber oder durch die Geschosse der amerikanischen Begleitjäger getroffen wurde, konnte nicht restlos geklärt werden.
Nachdem er seine Maschine auf den Boden gebracht hatte, sprang er unverzüglich in das Bachbett der Zwester Ohm-Schleife bei der Möllner Mühle.
Dort suchte er Schutz vor den ihn verfolgenden P-51 „Mustang”, die seine Maschine in Brand schossen.

Als er im Bachbett ankam, war er nicht ganz allein:

Der in der Mühle arbeitende französische Fremdarbeiter Leon Thomas hatte sich dort einen Splitterschutz gegen Fliegerangriffe gebaut. In diesem verbrachten der Kriegsgefangene und der deutsche Unteroffizier die bangen Sekunden bis zum Abflug der letzten angreifenden Amerikaner. 

Nachdem die „Luft wieder rein war”, begaben sich die beiden gemeinsam in die Möllner Mühle. Von dort wurde Uffz. Sommerhoff nach Heskem zur Post gebracht, wo er telefonisch seine Einheit verständigte.

(Unteroffizier Hubert Sommerhoff als Jagdflieger im Jahr 1944.)
(Foto: Hubert Sommerhoff)

Er gab an, die „Liberator” bei Winnen abgeschossen zu haben, und wollte sich diesen Abschuß vom damaligen Dorfschullehrer Peil bestätigen lassen.
Während seiner Zugehörigkeit zum Jagdgeschwader 53 „Pik-As” soll er elf Luftsiege, davon sechs über viermotorige Bomber erzielt haben.
Herr Sommerhoff überlebte den Krieg, und im Jahr 1996 konnte wir ihn in Overath ausfindig machen. Leider konnte er uns keine Informationen mehr zu diesem Einsatz liefern, da diese Zeit für ihn schon in Vergessenheit geraten war.

Er war noch so nett und legte uns in seinem Brief noch ein Foto von sich aus dem Jahr 1944 bei.
Bei einem Besuch in Mölln lernte wir die Familie Konrad Hemer kennen, die mir noch einige der in diesem Bericht erwähnten Informationen, gab.
Auch besorgte man uns hier noch ein Foto der ziemlich zerstörten Messerschmitt. Dieses hatte Herr Heinrich Steitz in Mölln über all die Jahre aufgehoben.
Auf dem Foto läßt sich aber leider nicht allzuviel erkennen. Man sieht nur einen Teil des Flugzeugrumpfes und am hinteren Teil der schrottreifen Maschine noch die Werknummer 166207.

 

Notlandung eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
 

Ort:                                  Mölln, Hinter der „Alten Mühle”

Datum:                            11. September 1944

Uhrzeit:                           ca. 12.00 Uhr

Flugzeugtyp:                   Messerschmitt Bf 109 G-6

Werknummer:                166 207

Kennung:                        „Schwarze 21”

Motor:                            1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder
                                        hängender V-Motor Daimler Benz DB 605

Einheit:                           11. Staffel / Jagdgeschwader 53 „Pik-As”

Startflughafen:               Mörtitz bei Eilenburg

 
Flugzeugführer:            Unteroffizier Hubert Sommerhoff  

Erkennungsmarke:       68415/543

Geburtsdatum:              23.02.1918 

Geburtsort:                    Köln 

Verbleib:                          Verwundet

Grablage:

Ursache der Landung:     Luftkampf mit P-51 „Mustang”


 

Hachborn, Montag, 11. September 1944

Auch die 9. Staffel des Jagdgeschwaders 53 hatte an diesem Tag Verluste zu beklagen.

Bei Groß-Eichen im Vogelsbergkreis sprang Unteroffizier Hermann Heck aus seiner Messerschmitt Bf 109, die von P-51 „Mustang” der 8. USAAF abgeschossen worden war und daraufhin abstürzte.

Er hatte mit einem Schwarm (vier Maschinen) die B-24-Bomber frontal angegriffen und wurde danach von dem amerikanischen Begleitschutz bedrängt. Sein Versuch, in Richtung Vogelsberg zu entkommen, endete über Groß-Eichen, wo er mit dem Fallschirm seine „Gelbe 9” verlassen mußte.

In einem Telefongespräch im Juli 1998 teilte uns Herr Heck mit, daß in seinem Schwarm der Unteroffizier Pusch von der 11. Staffel geflogen sei. Dieser wurde über Gießen am Fallschirm hängend erschossen und von Herrn Heck am nächsten Tag identifiziert.
Außerdem war Uffz. Hettwer in diesem Schwarm. Herr Heck war der Meinung, daß der gesamte Schwarm abgeschossen worden ist. Von Uffz. Hettwer aber liegt keine Verlustmeldung von diesem Tag vor. Er müßte dann also entweder mit dem Fallschirm abgesprungen sein oder unbeschadet notgelandet sein.
Als vierter Mann flog Oberfeldwebel Georg Amon, der diesen Schwarm auch führte.

(Oberfeldwebel Georg Amon im Januar 1945.)
(Foto: Georg Amon)

 Er mußte seine Messerschmitt Bf 109 G-6 bei Hachborn auf den Bauch werfen. Hermann Fischer aus Hachborn war damals Augenzeuge.

Er berichtete:

In unserem Garten am Bach hielten wir uns immer auf, wenn feindliche Flugzeuge am Himmel waren. Mit unseren Nachbarn zusammen hatten wir uns einen kleinen Stollen als Schutzraum gebaut.

Am Morgen des 11. September 1944 waren wir mit dem Nachbarn auch da, als ein Pulk mit ca. 50 - 60 „Fliegenden Festungen” („Liberators”) über uns war. Sie flogen mit Jagdschutz.

Hans Hilberg war bei mir, und wir beobachteten den großen Verband, als es plötzlich in dem Schwarm unruhig wurde. Sekunden später warfen wir uns zu Boden, da zwei Jäger wenige Meter über unsere Köpfe rasten. Zuerst eine Me 109, dahinter eine „Mustang” (amerikanischer Jäger).

Als es wieder ruhig war, gingen wir oben auf den Garten und sahen, wie es oben auf „Brekke Steert” brannte. Wir konnten aber nicht sehen, daß ein Flugzeug abgestürzt war. deshalb liefen wir in Richtung „Steert”. Als wir ankamen, wo jetzt Lampels ihren Obstgarten haben, hörten wir laut jemanden hinter uns rufen. Es war „Millersch Onkel” (Hans Falk), der am Gartenzaun stand und uns zurief und dabei mit der Hand in Richtung Fortbach deutete.

Aber wir sahen noch das Feuer am hinteren „Steert”, daher liefen wir weiter in diese Richtung. Am Ende des Feldes, ca. 30 Meter weiter oberhalb von unserer jetzigen Pferdeschutzhütte, fanden wir brennendes Gras. Wir blieben aber stehen, weil starke Stromleitungen sich wie Schlangen am Boden wälzten.

Die oberen beiden Starkstromleitungen waren abgerissen, und scheinbar war durch den sehr trockenen Boden und das trockene Gras die Sicherung der Leitung noch nicht durchgeschlagen. Jedenfalls wußten wir jetzt wo und was brannte.

Jetzt suchten wir in Richtung Fortbach das abgestürzte Flugzeug. Es lag gar nicht weit von uns hinter den Büschen am „Großen Boden”. Heinrich Lauer nennt diesen Acker „Beune”. Die Me 109 G war ziemlich gut am Boden angekommen. Sie war nicht mehr voll steuerbar, sagte uns der Pilot. Wir ließen uns alles vom Luftkampf erzählen und gingen mit ihm zusammen zum Bürgermeister, wo er kurze Zeit später von Kameraden abgeholt wurde. Sein Name war Georg Amon, und er kam aus München. Er trug eine Pilotenjacke aus Leder und pelzgefütterte Fliegerstiefel.

Die ganze Zeit war Hans Hilberg bei mir. Später bin ich aber noch einmal alleine zum Flugzeug, weil ich ein Foto machen wollte. Ich habe die Kamera auf die linke Tragfläche gestellt und mit Zeitauslöser mich in der Kabine fotografiert. Das Flugzeug war inzwischen getarnt und wurde von einem Volkssturmmann bewacht.”

Soweit Herr Fischer zu diesem Tag.

(Dieses Foto zeigt Hermann Fischer in der bei Hachborn gelandeten Bf 109. Er trägt sogar die Fliegerhaube.) (Foto: Hermann Fischer)

Im Sommer 1998 konnten wir Herrn Amon anschreiben, da es uns gelang, durch eine Suchanzeige im „Jägerblatt” (Offizielles Organ der Jagdfliegervereinigung der Flieger deutscher Streitkräfte e.V.) seine Anschrift herauszufinden.

Er schrieb mir unter anderem noch folgendes zu diesem Tag:

„... daß es ein Kartoffelacker war, auf dem ich eine „Bauchlandung” machen mußte, war mir nicht in Erinnerung. Ich weiß aber noch ganz genau, daß ich sofort nach dem Stillstand der Maschine herausgesprungen bin und Schutz in einem Erdloch suchte, weil die anfliegenden Mustangs auf die Maschine schossen und dabei fotografierten, um den Abschuß bestätigen zu können. Eine leider am Kriegsende übliche Praxis.

Mit dem Fallschirm und ausgebautem Funkgerät, das wir zu diesem Zeitpunkt mitnehmen mußten, weil es schlecht Ersatz gab, bin ich dann mit dem Zug zu meiner Gruppe zurückgefahren. Allerdings über den nicht ganz korrekten Umweg Bamberg-Kemern zu meiner Familie. ...”

Auf dem Foto, das Hermann Fischer auf dem Acker machte, ist neben einzelnen Zweigen auch noch gut das zur Tarnung benutzte Ackerkraut zu erkennen.

Die Jagdfliegerkarriere von Georg Amon endete am 02. April 1945. An diesem Tag wurde er im Tiefflug von amerikanischer Flak vom Himmel geholt. Er sprang noch mit dem Fallschirm ab, nachdem er schon Brandwunden zweiten Grades in Gesicht und Händen hatte. Bei Tauberbischofsheim geriet Oberfeldwebel Amon nach insgesamt neun Luftsiegen in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

Gegenüber Hermann Fischer hatte Herr Amon in Hachborn angegeben, daß er bereits neunmal abgeschossen worden sei.
9 Luftsiegen standen also auch mindestens 9 Niederlagen gegenüber.

Die Maschine blieb noch wenige Tag bewacht bei Hachborn liegen, bevor sie von einer Werftabteilung aus Gießen abgeholt wurde. In beiden Tragflächen waren Einschüsse zu erkennen, und auch ein Querruderseil sollte durchgerissen gewesen sein.

Nach eigenen Aussagen wurde die Maschine von Obfw. Amon nicht von der verfolgenden „Mustang” abgeschossen, sondern mußte aufgrund des Abwehrfeuers der B-24 „Liberator” zu Boden. Bei der versuchten Notlandung wurden dann die von Hermann Fischer erwähnten Überlandstromleitungen abgerissen.

 

Notlandung eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs

 

Ort:                      Hachborn, Im freien Feld in Richtung Hofgut Fortbach

Datum:                11. September 1944

Uhrzeit:               ca. 12.00 Uhr

Flugzeugtyp:      Messerschmitt Bf 109 G-6

Werknummer:

Kennung:           „Gelbe ?”

Motor:               1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder
                           hängender V-Motor Daimler Benz DB 605

Einheit:              9. Staffel / Jagdgeschwader 53 „Pik-As”

Startflughafen:  Mörtitz bei Eilenburg

Flugzeugführer:  Oberfeldwebel Georg Amon

Erkennungsmarke:

Geburtsdatum:

Geburtsort:

Verbleib:              Unverletzt bei Bauchlandung

Ursache:               Luftkampf mit B-24 „Liberator” und P-51 „Mustang”

 

Diedenshausen, Montag, 11. September 1944

Außer der III. Gruppe des Jagdgeschwaders 53, der amerikanischen 392. Bombardment Group und der 355. amerikanischen Fighter Group, die an diesem Tag allesamt Verluste im Raum Marburg hatten, mischten zumindest noch Teile des Jagdgeschwaders 300 in den Luftkämpfen dieses Tages in hiesiger Gegend mit.

Ein Grab auf dem Friedhof in Diedenshausen brachte mich auf die Spur eines weiteren gefallenen deutschen Jagdfliegers.
Mit Hilfe von Herrn Nassauer aus Diedenshausen und dem evangelischen Pfarramt gelang es uns, diesen Fall zu lösen.
Der am 12. Mai 1914 in Berlin geborene Leutnant Hans Pieplow war mit Teilen der 12. Staffel des Jagdgeschwaders 300 vom Einsatzhafen Jüterbog-Waldlager in Brandenburg gestartet.
Über dem nördlichen Teil des Landkreises Marburg scheinen die Messerschmitts der 12./ JG 300 auf einen mit Begleitschutz fliegenden Bomberverband gestoßen zu sein.

Herr Nassauer berichtete uns, daß man unmittelbar vor dem Absturz der Messerschmitt Bf 109 noch Bomberpulks sowie einen Kurvenkampf zwischen zwei Jagdflugzeugen beobachten konnte.

(Ulrich Pieplow noch als Fluglehrer in der Mitte seiner Flugschüler.)
(Foto: Gertrud Pieplow)

Wahrscheinlich schon im Luftkampf tödlich getroffen, konnte Lt. Pieplow seine Maschine nicht mehr verlassen und schlug mit aller Gewalt auf einen Acker südlich von Diedenshausen auf. Es entstand ein tiefer Trichter, in dem es noch längere Zeit brannte.
Die aufgefundenen sterblichen Überreste des Flugzeugführers wurden eingesargt und zunächst in der Diedenshäuser Kirche aufgebahrt.
Eine Identifizierung war nicht möglich, so daß der Flugzeugführer als unbekannter Flieger auf dem Friedhof beigesetzt wurde. Die Ehrenformation kam vom Flugplatz Gießen. Es soll sich um Soldaten einer Nachtjagdeinheit gehandelt haben.
Erst als einige Zeit später die größeren Flugzeugteile mit Motor und Rumpf aus dem Aufschlagtrichter geborgen wurden, gelang es, den Flugzeugführer durch die Werknummer der Maschine zu identifizieren.

Lt. Ulrich Pieplow, der am 14.04.1939 nach Studium und Doktorarbeit zum Dienst in der deutschen Wehrmacht eingezogen worden war, meldete sich zur Luftwaffe. Er machte seine fliegerische Grundausbildung in der 2./Fl.- Ausb. Rgt. 12. Am 04.07.1940 wurde er als Angehöriger der Flugzeugführerschule A/B 113 in Brünn gemeldet.

Seine ersten Einsätze flog er als Flugzeugführer in einer Transportgruppe. Dort flog er unter anderen Nachschub in das Donezkbecken. Seine Frau schrieb mir: „... für die irrsinnigen Kämpfe im Donezkbecken ...”

Später wurde er aufgrund seiner hervorragenden fliegerischen Fähigkeiten zum Fluglehrer, und erst wenige Wochen vor dem Einsatz am 11.09.44 meldete er sich freiwillig zum Jagdgeschwader 300.
In seinen Aufzeichnungen fanden sich noch einige Sätze, die das Widersinnige des Krieges wiedergeben. So schrieb er u.a.:

... Aus Begeisterung und Idealismus bin ich nicht zur Jägerei gegangen. Ich bin hier aus dem Gefühl der Pflicht heraus, ich bin mutig aus Pflichtbewußtsein. Ich fühle nur, daß sie da ist und ich ihr folgen muß.

Das kriegerische Heldentum, Gott, sieht das aus der Nähe komisch aus. Die Dichter müssen eine ganz besondere Brille aufhaben.”

Zum Ablauf eines Tages bei seiner Einheit schrieb er damals:

Ich sehe überall nicht strahlende, unbeschwerte Kühnheit, sondern zusammengebissene Zähne. So geht es fast allen. Morgens der erste Blick zum Himmel. Ist das Wetter schlecht freut man sich hemmungslos. Ist das Wetter gut, denkt man ganz nüchtern an die Möglichkeit des Einsatzes. Einsatzbesprechungen u.s.w.. Dann beginnt das große Warten. Nach Meldung: Große Feindverbände, 15 Minuten Bereitschaft. Jetzt beginnt die Nervenprobe, äußerlich gelassen, sind die Gedanken bereits beim Kampf. Schwimmweste an, Fallschirm um und einsteigen. Merkwürdig! Sobald man in der Luft ist, ist man ganz ruhig und nüchtern. Nur noch Aufmerksamkeit.”


Durch die freundliche Hilfe von Herrn Nassauer in Diedenshausen gelang es uns, die Anschrift seiner Witwe zu bekommen. Durch ihre Mithilfe konnte dieser Fall zum Abschluss gebracht werden.

Sicherlich werden noch einige Flugzeugteile im Ackerboden zu finden sein, der Flugzeugführer aber fand seine letzte Ruhestätte auf dem Friedhof in Diedenshausen, wo sein immer noch gut gepflegtes Grab mit einem roten Sandsteinkreuz die Besucher an die Schrecken des Krieges erinnert. Aber wer weiß schon, wenn er dieses Grabkreuz sieht, welches Schicksal sich dahinter verbirgt.

(Das Grab von Lt. Ulrich Pieplow auf dem Friedhof in Diedenshausen.)
(Foto: Dirk Sohl)

 

Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs

 

Ort:                      Diedenshausen, Im Feld in Richtung Weitershausen

Datum:               11. September 1944

Uhrzeit:               ca. 12.00 Uhr

Flugzeugtyp:      Messerschmitt Bf 109 G-6

Werknummer:    166 265

Kennung:            „Schwarze 2”

Motor:                1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder
                             hängender V-Motor Daimler Benz DB 605

Einheit:               12. Staffel / Jagdgeschwader 300

Startflughafen:   Jüterbog - Waldlager

Flugzeugführer:   Leutnant Ulrich Pieplow

Erkennungsmarke:59741 / 555

Geburtsdatum:    12. Mai 1914

Geburtsort:         Berlin

Verbleib:             Gefallen

Grablage:           Gemeindefriedhof Diedenshausen

Absturzursache: Luftkampf mit P-51 „Mustang”



Niederwetter, Montag, 11. September 1944

Eine weitere Maschine der III. Gruppe des Jagdgeschwaders 300 mußte an diesem Tag im Landkreis Marburg zu Boden.

Um diesen Fall aufklären zu können, benötigten wirerneut die Hilfe des Hessischen Staatsarchivs in Marburg. In den Akten des Archivs fand sich folgende vom Gendarmerie-Einzelposten Wetter II an den Landrat gerichtete Meldung:

 „ Betr.: Notlandung eines deutschen Flugzeuges.


 Am 11.9.1944 gegen 12 Uhr ist der Unteroffizier Helmut Kraft, geb. 13.1.1921 zu Weißig, Einheit III./ 7.G.30, Standort Jüterbock, Waldlager, Feldpost Nr. L 55319, Luftgaupostamt Berlin, mit einem Jagdflugzeug B.f. 109 durch Beschuß auf einer Wiese in der Gemarkung Niederwetter, zirka 80 m von der Aumühle entfernt, notgelandet. Das Flugzeug hatte durch feindlichen Beschuß 3 Einschüsse links im Motor u. 2 in der linken Tragfläche.

Kraft befand sich im Feindeinsatz und war durch Beschuß gezwungen, eine Bauchlandung vorzunehmen. Der Propeller, das Untergestell des Flugzeuges und die Tragflächen sind beschädigt. Personalschäden sind nicht entstanden.

Kraft hatte bereits seine Einheit sowie die Standortkommandantur Marburg fernmündlich verständigt.

Die Überwachung hat die Landwacht Niederwetter übernommen.

Unterschrift (Meister der Gend.)”

 Diese Meldung war doch mit einigen Fehlern behaftet - Wer will es dem Gendarmen aber übelnehmen? Es war ja nichts Alltägliches, einen Bericht über eine Flugzeuglandung mit Einheiten etc. zu erstellen.

Anhand der Feldpostnummer stand für uns sofort fest, daß es sich hier um einen Flugzeugführer der III. Gruppe des Jagdgeschwaders 300 gehandelt haben muß.
Diese Einheit war zu diesem Zeitpunkt auf dem Einsatzhafen Jüterbog-Waldlager in Brandenburg, etwa 43 km südlich von Potsdam, stationiert und flog in den Einsätzen dieses Tages Maschinen vom Typ Messerschmitt Bf 109 G-6.
Der genannte Unteroffizier Helmut Kraft gehörte also der gleichen Jagdgruppe an wie auch der bei Diedenshausen gefallene Leutnant Pieplow.

Es ist daher zu vermuten, daß auch die Einschüsse in seiner Maschine, von denen der Gendarm berichtete, von den Geschossen amerikanischer Jagdflugzeuge stammten. Er hatte an diesem Tag viel Glück und konnte seine getroffene Maschine noch auf einem relativ ebenen Gelände auf den Bauch werfen und deshalb glücklicherweise ohne Verletzungen aussteigen.

Bei meinen Recherchen, diesen Jagdflieger ausfindig zu machen, war ich schnell am Ende angelangt:
Unteroffizier Helmut Kraft fiel genau eine Woche später, am 18. September 1944, als Angehöriger der 9. Staffel des Jagdgeschwaders 300 im Luftkampf mit amerikanischen Jagdflugzeugen. Er stürzte mit seiner Messerschmitt Bf 109 bei Stadtlohn, tödlich getroffen, ab.

(Die Meldung des Gendarmen an den Landrat.)
(Hessisches Staatsarchiv in Marburg.)


 

Notlandung eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs

Ort:                 Niederwetter, in der Nähe der Aumühle 

Datum:                11. September 1944

Uhrzeit:               ca. 12.00 Uhr

Flugzeugtyp:       Messerschmitt Bf 109 G-6

Werknummer:

Kennung:  

Motor:                1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder
                            hängender V-Motor Daimler Benz DB 605

Einheit:               9. Staffel / Jagdgeschwader 300

Startflughafen:   Jüterbog - Waldlager

Flugzeugführer:  Unteroffizier Helmut Kraft

Erkennungsmarke:

Geburtsdatum:    13. Januar 1921

Geburtsort:         Weißig

Verbleib:             Gefallen am 18.09.1944 bei Stadtlohn

Grablage:

Ursache:             Vermutlich Luftkampf mit P-51 "Mustang”


 

Roth, Montag, 11. September 1944


Durch die folgende Meldung des Landrates an das Luftgaukommando VI in Münster,Westfalen, datiert vom 12. September 1944, konnten wir noch Informationen über eine weitere Notlandung eines deutschen Jagdflugzeugs einholen.

Ort und Lage: Zwischen Roth und Niederwalgern.

Flugzeugtyp: Me 109.

Verbleib der Besatzung: Uffz. Johs. Schmitz, unverletzt.

Anschrift: L 60293, Lftg. Dresden.

Heimathafen: Kyffhäuser.

Zustand der Maschine: Stark beschädigt.


Die „Anschrift” L 60293, Lftg. Dresden steht für die Feldpostnummer der 1. Staffel des Jagdgeschwaders 300, die zu ihrem Einsatz am 11. September 1944 in Esperstedt am Kyffhäuser startete.

Die uns bekannten Verluste in der I. Gruppe des Jagdgeschwaders 300 von diesem Tag waren Uffz. Horst Völkert von der 3./JG 300, der bei Frankenau verwundet wurde und mit dem Fallschirm abspringen mußte, und Fw. Manfred Schneider von der 1./JG 300, der mit seiner Messerschmitt Bf 109 G-6/AS bei Hackenrode fiel.

Nun kann man auch die Landung des Unteroffiziers Johannes Schmitz im Feld zwischen Roth und Niederwalgern in die offiziellen Verlustlisten aufnehmen.

Da die Maschine stark beschädigt wurde, aber der Flugzeugführer unverletzt blieb, muß man auch hier davon ausgehen, daß eine Bauchlandung gemacht wurde, bei der zumindest die Tragflächen und das Fahrgestell sowie Teile des Rumpfes beschädigt wurden.


(Unteroffizier Johannes Schmitz im August 1944 in Bad Wörishofen mit seiner "Roten 2".)
(Foto:
 Herbert Bethke aus "Jagdgeschwader 300 - The wild huntsman" von H. Bethke und Fr. Henning.)

 Bisher gelang es uns leider noch nicht, mehr Informationen über den Flugzeugführer Johannes Schmitz einzuholen.

Notlandung eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs
 

Ort:                                     Roth, Im Feld in Richtung Niederwalgern

Datum:                               11. September 1944

Uhrzeit:                              ca. 12.00 Uhr

Flugzeugtyp:                      Messerschmitt Bf 109 G-6

Werknummer:

Kennung:

Motor:                               1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder
                                           hängender V-Motor Daimler Benz DB 605

Einheit:                              1. Staffel / Jagdgeschwader 300

Startflughafen:                  Esperstedt am Kyffhäuser

Flugzeugführer:                Unteroffizier Johannes Schmitz

Erkennungsmarke:

Geburtsdatum:

Geburtsort:

Verbleib:                           Unverletzt

Grablage:

Ursache der Landung:     Vermutlich Luftkampf mit P-51 „Mustang”



Lohra, Montag, 11. September 1944

Ein weiterer Absturz eines deutschen Jagdflugzeugs wurde aus dem Raum Lohra gemeldet.

Im Waldstück zwischen Lohra, Rollshausen und Altenvers, in der Gemarkung Eschenbach, stürzte gegen etwa 11.45 Uhr eine Messerschmitt Bf 109 G- nach einem Luftkampf mit amerikanischen Jagdflugzeugen ab.
Dem Flugzeugführer gelang es, unverletzt aus der Maschine auszusteigen und mit dem Fallschirm sicher auf der Erde anzukommen.
Der Bezirks-Oberwachtmeister der Gendarmerie der Reserve, Weber, schrieb in seinem Bericht vom 11. September 1944:

 

Betrifft: Flugzeugabsturz in der Gemarkung Lohra, Kreis Marburg.

Am 11.9.1944 gegen 11.45 Uhr stürzte ein deutsches Flugzeug in der Gemarkung Lohra ab. Dasselbe liegt ungefähr 2 km von Lohra in südwestlicher Richtung im Walde entfernt. Die Maschine ist vollständig zertrümmert, so daß die Nummer an derselben nicht festzustellen war. Der Führer des Flugzeuges, ein Oberfeldwebel, hat sich durch Fallschirmabsprung gerettet. Er landete nahe bei Weipoltshausen und ist auf einem Motorrad mit einem Förster in Richtung Erda davongefahren. Seine Personalien konnten nicht festgestellt werden.

Auch dieser Absturz wird wohl ein Rätsel bleiben müssen.

Der Flugzeugführer blieb unverletzt, es wurde also keine Verlustmeldung von der Einheit erstellt, und die Gendarmerie stellte ebenfalls keine Personalien fest.

Es ist sehr wahrscheinlich, daß der Oberfeldwebel Angehöriger einer der drei Tagjagdgruppen war, die an diesem Tag auch Verluste in unserer Gegend hinnehmen mußten.



(Der Aufschlagtrichter im Wald bei Lohra.)
(Foto: Dirk Sohl)

Der uns unbekannte Oberfeldwebel flog also entweder in der I. oder III. Gruppe des Jagdgeschwaders 300 „Wilde Sau” oder in der III. Gruppe des Jagdgeschwaders 53 „Pik-As”.

Alle diese Einheiten flogen an diesem Tag Maschinen vom Typ Messerschmitt Bf 109 G-6, G-6/AS oder G-14, und in allen diesen Einheiten saßen an diesem Tag auch Oberfeldwebel an den Knüppeln ihrer Maschinen.

Der Oberfeldwebel, der bei Weipoltshausen am Schirm gelandet war, hatte sich von Erda aus bei der Fliegerhorstkommandantur in Gießen gemeldet, ist wahrscheinlich zu seiner Einheit zurückgekehrt und hat schon am nächsten oder übernächsten Tag wieder Einsätze geflogen.

Ob er den Krieg überhaupt überlebt hat, ist zu bezweifeln, da die Verluste bei diesen Einheiten so hoch waren, daß viele der jungen Flugzeugführer nicht einmal ihren ersten Feindflug gegen eine riesige Übermacht überlebt hatten.

Vielleicht braucht es aber nur ein wenig Glück und der Fall läßt sich doch noch aufklären. Es muß nur irgendwo ein Flugbuch „auftauchen”, in dem ein damaliger Flugzeugführer und Oberfeldwebel am 11.09.1944 als Landezeit keinen Eintrag, aber unter Bemerkungen: „Fallschirmabsprung nach Luftkampf bei Erda” o.ä. eingetragen hat.

Einen kleinen Hinweis gibt es schon. Herr Helmut Heck (+) aus Niederwalgern, der sich schon sehr früh mit den Flugzeugabstürzen in unserer Gegend befasst hatte, nahm schon in den 1960er Jahren Kontakt mit dem ehemaligen Förster auf. Leider konnte dieser ihm den Namen des Flugzeugführers nicht mehr nennen. Er wußte aber noch, daß der Nachname einen polnischen Klang gehabt hatte.

In einem Zeitungsbericht im September 2006 wurde die Vermutung geäußert, daß es sich bei dem Flugzeugführer dieser Maschine um Lt. Harpel gehandelt habe, der am Fallschirm in der Gemarkung Gilbertshausen bei Frankenbach herunterkam. Er soll leicht verwundet in den Bäumen hängen geblieben sein und von zwei Förstern, die mit einem Motorrad zur Landestelle fuhren, aus den Bäumen befreit worden sein.
Ob dies der Tatsache entspricht, kann jetzt nicht bzw. noch nicht bestätigt werden.

Aber durch Recherchen im Internet konnte ich mit Hilfe von Horst Jeckel aus Londorf und einem amerikanischen Spezialisten einen Piloten ausfindig machen, der mit ziemlicher Sicherheit dieses deutsche Jagdflugzeug vernichtet hat.
Es handelt sich um den Flight Lieutenant Warren Brock Peglar von der Royal Canadian Air Force, der im Sommer und Herbst 1944 Einsätze im Verband der 355. Fighter Group der 8. USAAF flog.

Warren Peglar berichtete, daß es etwa 11.55 Uhr war und er mit seinem Schwarm P-51 D „Mustang” eine Formation B-24-Bomber begleitete, als er plötzlich sechs Me 109 erkannte, die die Bomber angriffen. Er sah eine B-24 Feuer fangen, warf seine Treibstoffzusatzbehälter ab und setzte sich hinter eine der deutschen Maschinen. Kaum aber hatte er sich in die richtige Schußposition gebracht, als der deutsche Flugzeugführer seine Maschine mit dem Fallschirm verließ. Sein Flügelmann, der amerikanische 1stLt. H.R. Mann, bestätigte F/L Peglar seinen Luftsieg und vermerkte, daß die Maschine in einen Wald stürzte und brannte.
Wenige Minuten später errang Peglar noch einen zweiten Luftsieg. Dort hatte er aber etwas schwerer zu kämpfen. Der deutsche Gegner wehrte sich zunächst und verließ seine Maschine erst als es zu spät war. Peglar und Mann sahen die Messserschmitt Bf 109 und auch den deutschen Flugzeugführer in die Straßen einer kleinen Stadt stürzen. Der Fallschirm öffnete sich nicht mehr und der unglückliche deutsche Jagdflieger stürzte zu Tode.

Hierbei müßte es sich um Uffz. Herbert Pusch von der 11./JG 53 gehandelt haben, der bei oder in Gießen ums Leben kam.

 

Absturz eines einmotorigen deutschen Jagdflugzeugs

 

Ort:                           Lohra, Gemarkung Eschenbach im Wald in Richtung Altenvers

Datum:                     11. September 1944

Uhrzeit:                     ca. 11.55 Uhr

Flugzeugtyp:             Messerschmitt Bf 109 G-6

Werknummer:          163 401?

Kennung:                 „Schwarze 15”?

Motor:                     1 flüssigkeitsgekühlter Zwölfzylinder
                                 hängender V-Motor Daimler Benz DB 605

Einheit:                    11./ Jagdgeschwader 53 „Pik-As”?

Startflughafen:       Mörtitz bei Eilenburg?

Flugzeugführer:      unbekannter Oberfeldwebel oder Leutnant Dieter Harpel?

Erkennungsmarke:

Geburtsdatum:

Geburtsort:

Verbleib:                 Unverletzt

Grablage:               entfällt

Absturzursache:    Vermutlich Luftkampf mit P-51 „Mustang”

 



 

Rauschenberg, Montag, 11. September 1944

Während der Luftkämpfe über unserer Heimat gab es auch in Rauschenberg Opfer zu beklagen.
Zwei Unteroffiziere der Luftwaffe, die dort einquartiert waren, beobachteten die Luftkämpfe vom Balkon des Schreinermeisters Moll.
Es war 12.00 Uhr als die beiden Luftwaffenangehörige von Geschossen aus den Luftkämpfen getroffen wurden.
Einer der beiden wurde an Ort und Stelle durch ein wohl verirrtes Geschoss getötet, der zweite Soldat so schwer verwundet, dass er in eine Klinik nach Marburg überführt werden musste.

 

 


 
 
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