Fliegerschicksale über Lumda, Lahn und Ohm
  Bracht, 14. März 1945
 
 

Bracht, Mittwoch, 14. März 1945
 

Nur 14 Tage, bevor die Amerikaner im Landkreis einmarschierten, stürzte nach einem Bombenangriff im Raum Göttingen, Sarnau, Oberrosphe ein zunächst nicht bekanntes amerikanisches Flugzeug ab.

Die ersten Informationen dazu erhielten wir aus dem Bericht des Gendarmerie Einzelposten Schönstadt an den Landrat vom 14. März 1945. Unter anderen gibt er folgende Informationen weiter:

Am Mittwoch, den 14.3.45 um 14.15 Uhr ist im Staatswald des Forstamtes Bracht, im Distrikt 14, im langen Grund, ein USA-Bomber (2motorig) Type: Marauda abgestürzt. Das Flugzeug wurde durch Aufschlag völlig zertrümmert. Beim Aufschlag ist wahrscheinlich eine noch nicht abgeworfene Bombe detoniert, wodurch sämtliche Teile der Maschine auseinandergerissen wurden. ...

.... Uniformstücke wurden nicht gefunden, so daß der Dienstgrad und Name nicht festgestellt werden konnte. Trotz eifrigen Suchens konnte die Erkennungsnummer nicht gefunden werden.

Auf einem Teil des Flugzeuges stand folgendes: „Douglas Aircraft Company M C Suitable for aromatic Fuel”.

Vom Flugplatz Bracht war ein Bergungskommando an der Unfallstelle erschienen, das seine Feststellungen gemacht hat. Die Bewachung der Unfallstelle wurde von der Gemeinde Bracht gestellt. Die Beisetzung der von den Besatzungsmitgliedern übrig gebliebenen Teile erfolgt auf dem Friedhof in Bracht.”

Am 15.03.1945 machte auch der Gendarmerie Einzelposten Wetter II eine Meldung an den Landrat, in dem neben den Bombenabwürfen dieses Tages auch der Absturz der selben Maschinen erwähnt wurde. Auch hierzu einen Ausschnitt des Berichtes:

Zu gleicher Zeit ist ein feindliches Flugzeug in der Gemarkung Bracht im Forstrevier Bracht abgestürzt und vollständig zertrümmert worden.

Später wurde in der Gemarkung Göttingen etwa 350 m südlich des Ortes und zirka 20 m an der Wetschaft ein abgestürzter amerikanischer Pilot, bei welchem sich der Fallschirm nicht geöffnet hatte, mit zertrümmerten Schädel tot aufgefunden.

Personalien: Ltn. Raymond A. McMullen, geb. 10.4.1918 in Brown. Nummer der Erkennungsmarke: O-816525-43-44 AB. Die Leiche des Piloten, die Wertsachen und Pistole pp sind bei der Ortspolizeibehörde sichergestellt. Der Fliegerhorst Bracht ist am 15.3.45 durch Boten verständigt worden.”

Am selben Tag noch meldete auch der Landrat die Vorgänge des Vortages an das zuständige Luftgaukommando VI, jetzt nicht mehr in Münster, sondern in Lippstadt in Westfalen.

Bei den Angriffen durch den „Marauther-Verband” um kurz nach 14.00 Uhr wurden in der Nähe der Eisenbahnbrücke in der Gemarkung Sarnau 20 und in der Gemarkung Göttingen 32 Sprengbomben abgeworfen. Weitere 50 Sprengbomben landeten im Staatswald bei Unter- und Oberrosphe.

Am Boden wurden zwei Personen leicht verletzt. Ein Gendarmeriebeamter und ein Angehöriger der Organisation Todt. In Göttingen wurden neun Wohn- und sechs landwirtschaftliche Gebäude leicht beschädigt. In Sarnau waren es 20 Wohn- und zehn landwirtschaftliche Gebäude und in Unterrosphe 25 Wohngebäude und zehn landwirtschaftliche Wirtschaftsgebäude, die allesamt leicht beschädigt wurden. Es handelt sich durchwegs um Dach- und Fensterschäden aufgrund der Druckwellen der detonierten Bomben.

Zur abgestürzten Maschine gibt der Landrat an:

Zeit des Absturzes: 14.3.45, um 14.05 Uhr.

Absturzstelle: Staatswald des Forstamtes Bracht, Distrikt 14.

Flugzeugmuster: Typ Marauther

Verbleib der Besatzung: 2 Mann tot an Absturzstelle

1 Mann wurde mit nicht geöffneten Fallschirm tot in der Gemarkung Göttingen aufgefunden.

Es waren nun doch schon eine ganze Anzahl an Informationen, die wir aus den Akten des Staatsarchivs in Marburg entnehmen konnten.
Wir haben unsere Suche zunächst auf den uns jetzt bekannten Namen eines Besatzungsmitgliedes konzentriert und wurden auch sofort fündig.
Im einem vom amerikanischen Luftwaffenhauptquartier in Washington erstellten Missing Air Crew Report, kurz MACR, entdeckten wir den Namen McMullen.

Der 1stLt. Raymond McMullen war an diesem Tag mit seinem Abwehrschützen Sergeant Leonard P. Wright von einem Bombereinsatz auf Cölbe nicht zurückgekehrt. Die zweiköpfige Besatzung war mit ihrem zweimotorigen Bomber vom Typ Douglas A-26 B-50 „Invader” vom Flugplatz Beaumont Sur Oise zu diesem letzten Einsatz gestartet. Die amerikanische Luftflotte hatte zu diesem Zeitpunkt nicht viele Maschinen dieses Typs und flog zu ihren Angriffen mit zweimotorigen Maschinen hauptsächlich die bekanntere Martin B-26 „Marauder”, die auch von den Gendarmen in ihren Berichten erwähnt wurde. Dies aber nur aus Unkenntnis darüber, daß es auch die A-26 „Invader” gab.

Die Maschine mit der zweiköpfigen Besatzung gehörte zur 554. Bombardment Squadron in der 386. Bombardment Group und war ein Teil der 9. Strategischen Luftflotte.
Die Maschine hatte die Werknummer 41-39400.
Warum die Maschine an diesem Tag abstürzte, konnte noch nicht ganz geklärt werden. Es kann vermutet werden, daß sie vom Bombenwurf einer anderen Maschine getroffen wurde und dadurch nicht mehr zu steuern war. Nur der Pilot, 1stLt. Raymond A. McMullen, geboren am 10. April 1918 in Brown, New York, USA, konnte die Maschine noch verlassen. Dieser Absprung war aber wohl schon zu spät, so, daß sich der Fallschirm bis zum Auftreffen auf den Boden nicht mehr entfalten konnte und der unglückliche Pilot in den Tod stürzte.

(Die Vermißtenmeldung des amerikanischen Kriegsministeriums an die Ehefrau von 1stLt. Raymond McMullen.)
(Original: Washington National Records Center, U.S.A.)

 Der Airgunner Sgt. Leonard P. White hatte die Maschine nicht mehr verlassen können und stürzte gemeinsam mit ihr in die Tiefe. Beim Aufschlag wurde er mit der Maschine zusammen zerrissen. Nur wenige sterbliche Überreste des Abwehrschützen wurden noch an der Absturzstelle gefunden.

Im Missing Air Crew Report wurde von amerikanischer Seite her als Absturzursache eine Explosion im Bombenschacht einer anderen Maschine der selben Formation genannt.
Sollte dies tatsächlich der Fall gewesen sein, müßte auch dieses Flugzeug abgestürzt sein.

In den Berichten dieses Tages wird aber kein zweiter Absturz im Raum Marburg erwähnt. Zwei Augenzeugenberichte zweier Piloten der gleichen Squadron, 1stLt. Donald E. Altenberger und 1stLt. George R. Lee, die vor und hinter der Maschine von McMullen flogen, gaben nur wieder, daß die genannte Maschine beim Überfliegen des Zielgebiets explodierte und nach unten stürzte

Die beiden Gefallenen wurden zunächst auf den nahegelegenen Friedhöfen in Bracht (White) und Göttingen (McMullen) beigesetzt, nach dem Krieg aber wieder exhumiert. Sie fanden ihre letzte Ruhestätte, in unmittelbarer Nähe zueinander, auf dem amerikanischen Militärfriedhof „Ardennes” in Neuville-en-Condroz, südlich von Lüttich in Belgien. Der Pilot ruht im Feld D, Reihe 1, Grab 26 und der Abwehrschütze im selben Feld, Reihe 2, Grab 33.


(Die Gräber der gefallenen Besatzungsmitglieder 1995 auf dem Friedhof in Neuville-en-Condroz, südlich Liege (Lüttich) in Belgien. Zum 50. Jahrestag des Kriegsende waren die Gräber mit der amerikanischen und belgischen Flagge geschmückt.) (Fotos: Archiv Sohl)


  

Absturz eines zweimotorigen amerikanischen Bombers 

Ort:      Bracht, Im langen Grund

Datum:      14. März 1945

Uhrzeit:      ca. 14.15 Uhr

Flugzeugtyp:      Douglas A-26 B-50 „Invader”

Werknummer:      41-39400

Kennung:

Motor:      2 luftgekühlte Pratt&Whitney R-2800-71 Doppelsternmotoren

Einheit:      554. Bombardment Squadron in der 386. Bombardment Group

Startflughafen:      Beaumont sur Oise

Angriffsziel:      Cölbe

Besatzung:

Pilot: 1stLt. Raymond A. McMullen   Gefallen

Gunner: Sgt. Leonard P. White  Gefallen

Grablagen:      Neuville-en-Condroz , Belgien

Absturzursache:      Explosion im Bombenschacht ?

 


 
 
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